2007-06-02
Von Nils Klawitter, Severin Weiland und Yassin Musharbash
Peinliche Niederlage für die Bundesregierung: Eine Fotografin hat ihre Akkreditierung zum G-8-Gipfel eingeklagt. Die Richter erteilten den Behörden eine Lektion in Sachen ungerechtfertigter Beschneidung von Grundrechten - jetzt können auch andere ausgesperrte Journalisten hoffen.
Berlin/Hamburg - Beim "taz"-Redakteur Felix Lee hatte sich die Regierung heute noch selbst korrigiert und ihm eine Zulassung zum Berichten über den G-8-Gipfel erteilt. Jetzt hat sich auch Marily Stroux durchgesetzt - für die freie Fotografin aus Hamburg war die Sache allerdings deutlich komplizierter.
Nachdem Stroux eine kurze einsilbige Mail mit der Ablehnung vom Bundespresseamt bekommen hatte, stellte sie bereits am gestrigen Donnerstag mit ihren Anwälten beim Verwaltungsgericht Berlin einen Eilantrag auf die Ausstellung einer Akkreditierung. Heute nun wurde ihrem Antrag stattgegeben - mit einer für das Bundespresseamt peinlichen Lektion in Sachen Grundrechtebeschneidung.
"Auf Empfehlung des BKA" eine Akkreditierung zu entziehen, so wie es das Bundespresseamt tat, ist viel zu unkonkret und verletze die Antragstellerin gleich in mehreren ihrer Grundrechte - und zwar in ihrer Pressefreiheit und der Berufsausübungsfreiheit. Außerdem breche die Ablehnung den Gleichbehandlungsgrundsatz, nach dem grundsätzlich jeder Journalist akkreditiert werden kann, wenn dem nicht konkrete Sicherheitsbedenken entgegenstehen.
Diese Sicherheitsbedenken, so teilte das Bundespresseamt Marily Stroux mit, könne sie direkt beim Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamts (BKA) erfragen. Stroux versuchte das auch. Das BKA verwies sie aber an das Hamburger Landeskriminalamt. Dort war kein Datenschutzbeauftragter auszumachen, sie wurde an die Innenbehörde verwiesen. "Die Innenbehörde teilte ihr mit, eine Anfrage könne Wochen dauern", so Stroux' Anwältin Gabriele Heinecke. Ihre Mandantin sei "ein Objekt staatlichen Handelns geworden", so Heinecke, die das Urteil "vernichtend" nennt.
Die Antragsgegnerin von Marily Stroux, niemand Geringeres als die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundespresseamt, hat nun die Verfahrenskosten in Höhe von 2500 Euro zu tragen.
Bundesregierung wehrt sich gegen Aussperrungsvorwurf
Das Urteil bringt die Bundesregierung in Erklärungsnöte und zieht möglicherweise eine ganze Reihe von Korrekturen des Akkreditierungsverfahrens nach sich. Denn insgesamt wurde bislang rund zwei Dutzend Journalisten die Möglichkeit der direkten Berichterstattung vom G-8-Gipfel verweigert.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hatte sich heute gegen Unterstellungen verwahrt, man wolle kritische Berichterstatter von dem unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfindenden Ereignis fernhalten. Im Gegenteil: Der Bundesregierung liege daran, dass "eine kritische Berichterstattung möglich ist". Die große Mehrheit der Journalisten und Medienvertreter hätten eine Zulassung für die Gipfel-Berichterstattung erhalten.
Aber eben nicht alle: Am Donnerstag war bekannt geworden, dass dem Journalisten Felix Lee, G-8-Berichterstatter der linksalternativen "taz", die zunächst erteilte Akkreditierung wieder entzogen worden war. Heute dann folgte die erneute Rolle rückwärts: Lee wird seine Akkreditierung bekommen.
4700 Medienanfragen
Laut Bundesregierung laufen die Überprüfungen für den G-8-Gipfel für alle Personen in der Sicherheitszone nach einem standardisierten Verfahren ab. Danach ist das Bundeskriminalamt (BKA) mit der Bündelung der Informationen beauftragt, die von den Sicherheitsbehörden über die Betreffenden geliefert werden. Das BKA gibt diese Einschätzung im Falle von Medienvertretern an das Bundespresseamt weiter.