2007-05-28 

Freiheit im Polizeikessel

Florian Rötzer 28.05.2007
In Hamburg kam es zwar nach Abschluss des Protestzuges zu Randale, zuvor hatte die Polizei aber vorgeführt, wie sich eine wehrhafte Demokratie gegenüber weitgehend friedlichen Demonstranten darstellen will
Die Demonstration in Hamburg gegen den EU-ASEM-Gipfel galt sowohl für die Sicherheitskräfte als auch für die G8-Kritiker als Test dafür, wie Politik und Gerichte mit der Demonstrationsfreiheit umgehen und ob die von manchen befürchtete oder von anderen gewünschte Gewalt tatsächlich ausbricht ([local] Testlauf für G8-Proteste in Hamburg).

Hamburgs Innensenator Nagel hatte schon zuvor von einer Null-Toleranz-Strategie gesprochen. Für die erwarteten 5.000 Demonstranten wurde der bislang größte Polizeieinsatz organisiert. Das Hamburger Verwaltungsgericht hatte noch am Freitag entschieden, dass die Demonstration durch das Zentrum der Hansestadt gehen kann und damit den Veranstaltern Recht gegeben, die verlangten, dass die Kundgebung am Tagungsort auch vernehmbar sein soll. Abgelehnt wurde allerdings der vorgesehene Versammlungsleiter, dessen Wohnung im Zuge der Razzien Anfang Mai unter der Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung durchsucht wurden, obgleich bislang gegen ihn keine belastenden Beweise vorgelegt wurden.

Das Hamburger Oberverwaltungsgericht hatte dann aufgrund einer Beschwerde der Polizei die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wieder aufgehoben und so verhindert, dass der Protestzug durch die Innenstadt gehen kann. "wegen der hohen Gefährdung von Teilnehmern des Asem-Treffens", so die Begründung, müssten bestimmte Straßen freigehalten werden. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht wurde von diesem abgelehnt.

Die Polizei hat nach der Demonstration Ausschreitungen befürchtet, aber offenbar trotzdem nach den ersten Ausschreitungen aufgrund der Razzien in Hamburg darauf gesetzt, den Protestzug als "mobilen Kessel" durch massive Polizeibegleitung zu gestalten. Aufgeboten wurden Tausende von Polizisten, an vielen Punkten des Demonstrationswegs waren Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge stationiert. Damit hat man ebenso wie die Gerichte nicht gerade zur Deeskalierung beigetragen, sondern die zuvor geäußerte Kritik an der Einschränkung der Demonstrationsrechte bestätigt. Zwischen 4.000 und 5.000 Demonstranten hatten sich schließlich weitgehend friedlich am Protestzug beteiligt, der von den Veranstaltern dann am Rödingplatz vorzeitig aufgelöst wurde, um ein politisches Signal zu setzen: "Das ist eine Farce. Wir wollen nicht als Wanderkessel durch menschenleere Gebiete laufen."

Obgleich die meisten Demonstranten der Aufforderung Folge leistete, sperrte die Polizei den Weg zur Innenstadt mit Wasserwerfern und Fahrzeugen ab und befahl den Menschen, in Richtung Millerntor abzuziehen. Es blieb ein harter Kern von einigen hundert Demonstranten zurück, gegen die die Polizei vorrückte und die mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern die Polizisten bewarfen. Ob die folgenden Ausschreitungen aufgrund der massiven Polizeipräsenz und der Einschüchterungstaktiken verursacht wurden oder Ausschreitungen nach dem Protestzug sowieso geplant waren, ist eigentlich unerheblich - auch wenn etwa Spiegel Online Militante G-8-Gegner randalieren sich warm im Vorlauf zu den zu erwartenden Kommentaren aus Sicherheits- und Politikerkreisen, die sich durch die Randale bestätigt sehen, die Schuld vornehmlich bei den Demonstranten verorten.

Bedenklich ist, dass die Polizei weitgehend friedliche Demonstranten derart massiv einkesselt, als würde jeder, der hier seine Haltung kundgeben will, ein potenzieller Gewalttäter sein. Das sollte ein demokratisches Land, das anderswo für Menschen- und Demonstrationsrechte eintritt, nicht zulassen – nicht als Ausdruck einer politischen Kultur, die allmählich unter den Terror- und Gewaltängsten ihre Freiheit und Gelassenheit verliert, aber auch nicht als in Form von Bildern, die um die Welt gehen und den Eindruck eines deutschen Polizeistaates erwecken, der Opposition erstickt. Wie auf einem Foto von NDR zu sehen ist, hat ein Polizist gar schon die Pistole gezückt. Die Hamburger "Strategie" lässt überdies für die Proteste zum G8-Gipfel nicht viel Gutes erwarten. Noch steht hier zumindest die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schwerin, das die von der Polizei verordneten weiträumigen Demonstrationsverbote teilweise aufgehoben hat. Zu erwarten aber ist, dass dies nicht so bleiben wird.