2007-05-26
In Dresden wird es eine Anlaufstelle für nichtdeutsche Demonstranten geben, die nach Heiligendamm weiterreisen wollen. Gespräch mit Ina Jagst
Ina Jagst engagiert sich bei der Vorbereitungsgruppe für den Borderpoint Dresden, der im AZ Conni, Rudolf-Leonhard-Straße 39, eingerichtet werden soll
Sie wollen im Vorfeld des G-8-Gipfels einen sogenannten Borderpoint in Dresden einrichten. Was ist darunter zu verstehen?
Der Borderpoint, auf deutsch Grenzpunkt, soll G-8-Gegnern aus dem benachbarten Ausland als Anlaufstelle dienen. Wir wollen ausländische Aktivisten – maßgeblich aus Tschechien und Polen – mit Informationen bezüglich der gegen den Gipfel geplanten Proteste versorgen und sie bei Problemen beim Passieren der Grenzen unterstützen. Darüber hinaus vermitteln wir Schlafplätze, versorgen die Demonstranten mit Essen und bieten ihnen die nötige Infrastruktur für konkrete Protestaktionen.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat das sogenannte Schengen-Abkommen für die Zeit rund um den G-8-Gipfel außer Kraft setzen lassen und Kontrollen an den Grenzen angekündigt. Wie wollen Sie Gegner des G-8-Gipfels, denen die Einreise in die Bundesrepublik verweigert wird, unterstützen?
Wir stehen im Kontakt zu Anwälten, die die juristische Auseinandersetzung mit den Behörden suchen werden, sollte nichtdeutschen Gipfelgegnern die Einreise verweigert werden. Aber hauptsächlich geht es uns darum, daß die Demonstranten mit unserem Borderpoint eine grenznah gelegene Anlaufstelle haben.
Trügt der Eindruck, daß sich außer Ihnen kaum jemand um die Beratung und Betreuung ausländischer Gipfelgegner kümmert?
Dieser Eindruck ist falsch. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß diverse Bündnisse und Gruppen in die Organisation der Proteste in der Bundesrepublik eingebunden sind. Neben den aktuellen juristischen Auseinandersetzungen sind viele Aktivisten auch einfach mit der Planung der Campstrukturen beschäftigt oder befassen sich mit der Organisation der Großdemonstrationen und der geplanten Aktivitäten gegen den Aufmarsch der Neonazis am 2. Juni in Schwerin. Zudem stellen vorhandene Sprachbarrieren und die unterschiedlichen Gesetze bezüglich der Einreisebestimmungen, die es in der Bundesrepublik und Tschechien gibt, uns natürlich vor nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten.
Neben unserem Borderpoint werden übrigens auch in anderen Grenzregionen Anlaufstellen für nichtdeutsche Demonstranten eingerichtet. Beispielsweise an der deutsch-niederländischen Grenze.
Planen Sie Aktionen in Dresden, wenn die Polizei versuchen sollte, Demonstranten an der Weiterreise nach Heiligendamm zu hindern?
Natürlich. Sollten die polizeilichen Einsatzkräfte versuchen, die Weiterreise von Demonstranten zu behindern, werden wir hier dezentrale Aktionen durchführen. Wie in anderen Städten, gibt es natürlich aber auch hier Leute, die aufgrund ihres Jobs oder aus anderen Gründen nicht direkt nach Heiligendamm fahren können. Da liegt es auf der Hand, auch in der eigenen Stadt spontane Proteste durchzuführen.
Die sächsische Linkspartei.PDS stellt mehrere Busse zur Fahrt nach Heiligendamm zur Verfügung. Wie glaubwürdig ist das Engagement dieser Partei?
Ich habe nichts gegen vernünftige Aktionen der Linkspartei und finde es erstmal gut, daß sie überhaupt Busse zur Verfügung stellt. Wir haben jedoch nicht vergessen, daß es eben diese Partei war, die in der vergangenen Legislaturperiode in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit SPD und CDU das sogenannte Sicherheits- und Ordnungsgesetz dieses Bundeslandes massiv verschärfte und damit erst die Grundlage zur Beschneidung der Rechte von G-8-Gegnern schuf. Von einer prinzipiellen Kritik an den politischen Ansichten der Linkspartei einmal ganz abgesehen.
Der Borderpoint ist von 23. Mai bis mindestens 10. Juni unter +49 351 89960452 (oder borderpoint-dd@so36.net zu erreichen) und der Ermittlungsausschuß unter +49 351 89960456, weitere Informationen: dissentnetzwerk.org Bankverbindung für Spenden: Rote Hilfe Dresden, Postbank Essen, Konto 609 760 434, BLZ 36010043, Verwendungszweck »Borderpoint«
Interview: Markus Bernhardt, 26.05.2007
[http://www.jungewelt.de/2007/05-26/019.php]