2007-05-26 

Frankfurter Rundschau: Heiligendamm: G8-Gegner dürfen näher ran

Der Streit zwischen Polizei und Gegnern des G8-Gipfels eskaliert. Das Verwaltungsgericht Schwerin hob nun das Demonstrationsverbot für Heiligendamm in weiten Teilen auf. Zugleich wurde bekannt, dass die Behörden in Hamburg offenbar Briefe an G8-Gegner abfingen.

Berlin – “Alle Rechtskundigen haben eine solche Entscheidung des Verwaltungsgerichts erwartet”, sagte Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele am Freitag der FR. Zuvor hatten Schweriner Verwaltungsrichter einer Klage gegen das umfassende Demonstrationsverbot beim G8-Gipfel in Heiligendamm stattgegeben. Die Organisatoren eines für 7. Juni geplanten Marsches zum Tagungsort hatten gegen eine Verordnung der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern geklagt. Sie sah vor, Proteste in einer 40-Quadratkilometer-Zone um das Tagungsgelände zu verbieten.

Ein solch große Zone wäre “beispiellos in der Geschichte” gewesen und hätte “alle bisherigen Maßstäbe gesprengt”, sagte der Anwalt der Kläger, Carsten Gericke, der FR. “Das Verwaltungsgericht ist unserer Argumentation auf ganzer Linie gefolgt”, fügte er an. Nach dem jüngsten Urteil gilt zwar zwischen 30. Mai und 8. Juni für das direkte Gipfelgelände ein Demonstrationsverbot. Der Tagungsort, um den ein Sicherheitszaun verläuft, sowie ein 200-Meter-Streifen vor dem Zaun bleiben für Demonstranten tabu.

Ein geplanter zweiter Kordon, der die Protestler mehr als fünf Kilometer vom Tagungshotel entfernt gehalten hätte, ist aber nach dem Urteil vom Tisch. Die Polizeisondereinheit für den Gipfel legte gegen das Urteil Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Greifswald ein.

Es sei völlig unverständlich, meinte Ströbele, weshalb die Ordnungsbehörden überhaupt eine solch gigantische Bannmeile verhängt hätten, die erkennbar nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Solche Entscheidungen seien wohl kaum mit einer “Strategie der Deeskalation in Einklang zu bringen”.

Für Empörung sorgte am Freitag die Nachricht, dass die Hamburger Polizei die Post von potenziellen Störern des G8-Gipfels abgefangen hat. Der Leiter des Staatsschutzes der Hansestadt, Detlef Kreutzer, sagte, die Beamten seien auf der Suche nach Bekennerschreiben zur Anschlagsserie der vergangenen Tage gewesen. Die Aktion sei im Auftrag der Bundesanwaltschaft und mit richterlichem Beschluss erfolgt. Bundestags-Vizepräsident Petra Pau (Linksfraktion) warnte vor einem “Systemwechsel: Weg vom demokratischen Staat, hin zum präventiven Sicherheitsstaat”.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, äußerte sich besorgt über den Streit zwischen Behörden und Demonstranten. “Das Klima ist aggressiver geworden”, sagte Freiberg der FR. “Ich mahne alle Beteiligten, ihre Worte vorsichtiger zu wählen”, fügte er hinzu. Steffen Hebestreit

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