2007-05-25
Innenminister Schäuble muss sich wegen des G8-Gipfels gegen immer mehr Vorwürfe wehren: Er soll geschnüffelt und Post durchsucht haben. Nun haben die Kritiker einen Teilsieg beim Demo-Verbot errungen.
Von FOCUS-Online-Redakteur Fabian Löhe
„Wir sind kein Land, in dem Geisteskranke unterwegs sind“, sagte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Freitag auf der Konferenz der G8-Innen- und Justizminister in München. Gemeint hat der oberste Gipfel-Sheriff damit aber nicht potenzielle Störer des G8-Gipfels in Heiligendamm – sondern sich selbst und die Sicherheitsbehörden. Die Stimmung gegen die Sicherheitsorgie des Innenministeriums kippt offenbar: Mittlerweile fühlt sich Schäuble schon bemüßigt, mal klar zu stellen, dass er nicht verrückt ist.
Gleichzeitig verpasste ihm das Verwaltungsgericht Schwerin einen Dämpfer und schränkte ein weiträumiges Versammlungsverbot der Behörden in Heiligendamm ein. G8-Gegner dürfen bei Demonstrationen während des Gipfels im Juni nun doch bis auf 200 Meter an den Sicherheitszaun heran. Die Polizeidirektion Rostock hatte als zuständige Versammlungsbehörde für die Zeit vom 5. Juni an ein allgemeines Verbot für Aktionen im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern um den Zaun erlassen.
Wie es in dem Ostseebad bald aussehen wird, darauf gibt die G8-Justiz- und Innenministerkonferenz in München bereits jetzt einen Ausblick. Ein Großaufgebot der Polizei umringt schwarze Luxus-Limousinen und Transporter mit getönten Scheiben. Hünenhafte Personenschützer mit Knopf im Ohr und dunklen Sonnenbrillen beobachten Passanten und Hotelgäste, verziehen aber keine Miene. Jeder scheint verdächtig zu sein.
10 000 Teilnehmer zum Sternmarsch erwartet
Angesichts solcher Perspektiven frohlocken die Organisatoren des für den 7. Juni geplanten Sternmarsches vor das Hotel Kempinski in Heiligendamm über das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin. „Wir waren von Anfang an überzeugt, dass ein Totalverbot niemals aufrecht zu erhalten ist“, erklärte der Rechtsanwalt des Sternmarsch-Bündnisses, Carsten Gericke.
Als „großen Sieg“ feiert das auch das Kampagnennetzwerk „Block G8“ das Urteil – wenngleich es für die G8-Kritiker nur ein Teilerfolg ist. „Die eigentliche Intention des Versammlungsrechts ist es, dass der Protest gehört werden kann“, sagte Block-G8-Sprecher Christoph Kleine zu FOCUS Online. In der Zone innerhalb des Zauns sei das Demonstrationsverbot leider bestätigt worden. „Wenn das Versammlungsrecht nicht zur Farce verkommen soll, war die Entscheidung zwingend.“ Kleine rechnet mit mindestens 10 000 Teilnehmern bei dem Sternmarsch.
Schäuble will nicht G8-Kritikern hinterher schnüffeln
So kämpft Schäuble mit seinem Sicherheitskonzept mittlerweile an immer mehr Fronten. Als „völligen Blödsinn“ wies er in München den Vorwurf zurück, die Sicherheitsbehören hätten im Zuge der Vorbereitungen auf den G8-Gipfel sogar Geruchsproben von Verdächtigen genommen. „Das hat es nicht gegeben, gibt es nicht und wird es auch nicht geben“, sagte er. In einer Welle des parteiübergreifenden Protests hatten mehrere Politiker dem Staat Stasi-Methoden wie einst in der DDR vorgeworfen.
Außerdem muss sich der Innenminister mit dem Ärger über durchsuchte Post in Hamburg herumschlagen. Auch das, behauptet Schäuble, hat mit den Vorbereitungen auf den G8-Gipfel nichts zu tun, es gebe – zumindest in Vorbereitung auf den G8-Gipfel – keinerlei Maßnahmen einer Staatsanwaltschaft. Die Bundesanwaltschaft führe demnach ein Verfahren wegen bereits begangener Straftaten wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Nur ein einziger Brief soll geöffnet worden sein. In Hamburg erklärte der Leiter des Hamburger Staatsschutzes, Detlef Kreutzer: „Hierbei handelte es sich um richterlich genehmigte Postbeschlagnahmungen im Zusammenhang mit aufgetauchten Bekennerschreiben.“
Schäuble zankt mit Zypries
Die Bundesregierung weiß sehr wohl, dass es in erster Linie um die Wirkung geht, die von dem Großereignis in Heiligendamm ausgeht. „Sonst könnten sich die Staatschefs notfalls auch per Video-Konferenz austauschen“, sagt Schäuble. „Aber der ganze Aufwand führt auch dazu, dass mehr in Bewegung kommt: Niemand kann kommen und sagen, dass ihn der Umweltschutz nicht interessiert.“ Gerade der Zaun gewährleistet nach der Lesart des Innenministers, dass „wer immer mag, auch eine andere Meinung zum Ausdruck bringen kann“.
Schließlich zankt sich Schäuble beim Thema Sicherheit auch immer häufiger mit Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). In München ätzte der Unionspolitiker immer wieder gegen seine neben ihm sitzende Ministerkollegin. „Für die Sicherheit bin ich verantwortlich, für die Strafverfolgung die Justiz. Gelegentlich wird das in der Öffentlichkeit nicht auseinander gehalten“, stichelte Schäuble. Zypries konnte nur gequält lächeln.
[http://www.focus.de/politik/deutschland/g8-gipfel/g8-gipfel_aid_57423.html]