2007-05-25 

Heiligendamm: Demo-Verbot aufgehoben

GiNN-BerlinKontor.—Das polizeiliche Versammlungsverbot in unmittelbarer Nähe des G8-Tagungsortes Heiligendamm ist vom Verwaltungsgericht Schwerin “außer Vollzug gesetzt” worden. Organisatoren eines “Sternmarsches” am 7. Juni hatten einen Eilantrag gestellt. Das Gericht kippte damit eine Entscheidung der Polizeidirektion Rostock, die in einer Allgemeinverfügung eine räumliche und zeitliche Beschränkung des Versammlungsrechts im Bereich um Heiligendamm und den Flugplatz Rostock-Laage erlassen hatte. Demonstrationen wurden für die Zeit vom 30. Mai bis 8. Juni angekündigt.

WORTLAUT des Gerichtsbeschusses:

“Mit Beschluss vom heutigen Tage (25.05) hat das Verwaltungsgericht Schwerin das von der Polizeidirektion Rostock anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm großräumig verhängte allgemeine Versammlungsverbot teilweise außer Vollzug gesetzt.

Die Entscheidung ist in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen (Aktenzeichen 1 B 243/07). Antragsteller waren die Anmelder eines für den 07.06.2007 geplanten Sternmarsches. Dieser sollte ursprünglich von den Orten Kühlungsborn, Kröpelin, Bad Doberan und Ostseebad Nienhagen bis in das Ortszentrum von Heiligendamm führen. Die Polizeidirektion Rostock hatte als zuständige Versammlungsbehörde im Wege einer Allgemeinverfügung ein großräumiges Versammlungsverbot verhängt. Danach sollen während der Gipfeltage nicht nur innerhalb der durch ein technisches Sperrwerk gesicherten Zone, sondern in einem größeren Umkreis keine Versammlungen stattfinden dürfen.

Die zuständige 1. Kammer des Gerichts hat dieses Versammlungsverbot im Wesentlichen nur insoweit für rechtmäßig erachtet, als es das Gebiet innerhalb des zwischenzeitlich errichteten Zaunes zuzüglich einer Pufferzone von 200 m betrifft. Soweit das Versammlungsverbot darüber hinaus geht, ist es für rechtswidrig erachtet und dementsprechend außer Vollzug gesetzt worden. Maßgebend hierfür war die Überlegung, dass den von der Versammlungsbehörde vorgetragenen Sicherheitsbedenken bezogen auf die äußere Zone in einer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schonenderen Weise durch den Erlass von Auflagen Rechnung getragen werden kann. Solche Auflagen hat das Gericht bereits teilweise selbst erlassen. Danach werden die von den Antragstellern geplanten Aufzüge auf bestimmte, von ihnen im Vorwege allerdings selbst hilfsweise angebotene Routenführungen beschränkt. Damit ist z. Bsp. sichergestellt, dass im Falle etwaiger Rettungseinsätze, aber auch für sonstige Zwecke eine freie Straßenverbindung von Heiligendamm in Richtung Bad Doberan gegeben ist. Zum anderen ist den Veranstaltern aufgegeben worden, mit Hilfe der von ihnen einzusetzenden Ordner dafür Sorge zu tragen, dass die Gleisanlagen der Mecklenburgischen Bäderbahn “Molli” von den Versammlungsteilnehmern nicht betreten und der Bahnbetrieb sowie der Zugang der mit der Molli-Bahn zum Tagungsort beförderten Personen über die an der Küste im Bereich Kleiner Wohld gelegene Kontrollstelle seitens der Versammlungsteilnehmer nicht behindert werden.

Die Entscheidung, die sich in ihrer Wirkung zunächst nur auf die hier angemeldete Versammlung „Sternmarsch“ erstreckt, ist noch nicht rechtskräftig. Gegen sie kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald erhoben werden.

Das Versammlungsverbot bezeichnet jegliche gerichtliche oder polizeiliche Maßnahme, die die Untersagung einer Versammlung unter freiem Himmel zum Ziel hat. Es stellt in der Bundesrepublik Deutschland einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes und bedarf der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Der Einschränkung der Versammlungsfreiheit wiederum unterliegen Beschränkungen . Nach § 5 des Versammlungsgesetzes kann eine Versammlung unter anderem nur im konkreten Einzelfall verboten werden, eine allgemeine Einschränkung (z.B. per Bundesgesetz) ist unzulässig. Ebenfalls ist das Verbot nur dann begründet, wenn der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige gefährliche Gegenstände mit sich führen und der Verdacht auf einen feindseligen, aufrührerischen und bewaffneten Zusammenschluss besteht.

Das Bundesinnenministerium hatte das Demo-Verbot “zum Schutz des G8-Gipfels um Heiligendamm” befürwortet und verteidigt. Vom Tagungsort in Mecklenburg-Vorpommern sollten aggressive Proteste ferngehalten werden. Dem BMI liegen angeblich Informationen vor, nach denen “mit den Demonstrationen nicht nur legitime Kritik geübt werden solle, sondern dass auch Gewalttäter versuchen wollten, den Sicherheitszaun zu überwinden und die eigentliche Veranstaltung zu stören”, heißt es. Deshalb müsse Vorsorge getroffen werden. Das Demonstrationsverbot diene dazu. Nun wurde es “overruled”.

[http://www.berlinkontor.de/25.05.2007/heiligendamm-demo-verbot-aufgehoben.html]