2007-05-24
Die Polizei nahm Duftproben von G-8-Gegnern – viele erinnert das jetzt an die Stasi. Was bringt diese Methode?
Von Gerd Appenzeller, Fabian Leber und Matthias Schlegel
Einige Minuten lang musste jeder der Beschuldigten ein zwei Zentimeter dickes Vierkantrohr in der Hand halten – bis daran etwas Schweiß hängen blieb. Dann wurden die Röhrchen in Glasbehältern luftdicht eingeschlossen. Fünf solcher Proben mit dem Duft von Globalisierungsgegnern lagern jetzt bei der Kriminalpolizei in Hamburg. Der Zweck der Aktion: Spürhunde sollen den konservierten Körpergeruch mit Duftmarken abgleichen, die sich an den Schauplätzen von Brandanschlägen oder auf Bekennerbriefen erschnüffeln lassen.
Neu ist diese Methode nicht. Zu DDR-Zeiten hatte die Stasi ein großes Archiv mit Geruchsproben von vermeintlichen Regimegegnern angelegt. Als Utensil wurden Tücher verwendet, die dann in Einmachgläsern landeten. Die unter dem Fachbegriff Odorologie (odor – lat.: Geruch) bei der Stasi laufenden Forschungen zu diesem Thema waren eng mit Ermittlungsmaßnahmen der Volkspolizei verquickt. So wurden in einer Dienstvorschrift von DDR-Innenminister Friedrich Dickel von 1981 und in einem Arbeitshinweis der Hauptabteilung Kriminalpolizei von 1986 konkrete Anweisungen für den ermittlungstaktischen Einsatz von Geruchsproben gegeben.
Nachdem am Dienstag schon erste Stasivergleiche gezogen wurden, beeilte sich die Bundesanwaltschaft mit einer Klarstellung: Bei der Aktion in Hamburg gehe es nicht um das Anlegen einer Sammlung von Duftproben nach DDR-Vorbild. Die Proben würden nur der Strafverfolgung dienen und nach Abschluss der Ermittlungen vernichtet. Spürhunde seien lediglich zur Aufklärung von Verbrechen sinnvoll, sagte auch ein Sprecher des Bundesinneministeriums dem Tagesspiegel. Man könne einen Hund nicht an einer tausendköpfigen Menschenmenge vorbeiführen und sich einbilden, das Tier könne eine einzelne Person „herausriechen“ .
Ohnehin gibt es Zweifel an der Zuverlässigkeit von Geruchsvergleichen. Selbst die Stasi war da skeptisch. Sie ging davon aus, dass „das Ergebnis der Geruchsdifferenzierung nicht als Beweismittel im Strafverfahren verwendet werden kann“, wie es im „Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit“ der Juristischen Hochschule des MfS heißt. Ähnlich ist die Situation auch jetzt. Auch jetzt sagt der Hamburger Kriminalistikprofessor Thomas Gundlach: „Als alleiniges Beweismittel vor Gericht können diese Proben auf keinen Fall ausreichen.“
Geruchsproben kann die Polizei in Deutschland von Tatverdächtigen ohne richterlichen Beschluss nehmen – ähnlich wie zum Beispiel Fingerabdrücke. Damit ist die Schwelle geringer als zum Beispiel bei einer DNA-Probe, für die immer eine Anordnung der Justiz vorliegen muss. Interessant ist die Methode für Ermittler, weil jeder Mensch über einen unverwechselbaren Geruch verfügt. Dieser setzt sich vor allem aus Gasen zusammen, die Bakterien bei der Zersetzung von Hautschuppen produzieren. Und weil jeder Mensch fast ständig solche kleinen Schuppen verliert, lässt sich eine individuelle Geruchsspur nicht vermeiden – auch größte Reinlichkeit hilft nicht.
Um den Test mit Spürhunden möglichst zuverlässig zu machen, haben die Ermittler einige Hürden eingebaut. Während eines Vortests werden mehrere Röhrchen nebeneinander ausgelegt – eines davon trägt die Duftspuren des Verdächtigen. Anschließend wird dem Spürhund ein Gegenstand unter die Nase gehalten, den ein Unverdächtiger angefasst hat. Dessen Röhrchen muss dann gefunden werden. In einem zweiten Test werden wieder sechs Proben ausgelegt, diesmal soll der Hund aber den Gegenstand des Verdächtigen erkennen.
Bisher ist der Geruchsvergleich in Deutschland von der Polizei nur selten eingesetzt worden– vielleicht, weil die Lagerung von menschlichen Gerüchen einen intimen Bereich des Lebens berührt. „Körpergeruch ist etwas sehr Persönliches“, sagt Steffen Dauer vom Berufsverband Deutscher Psychologen. „Der Mensch verbindet damit immer auch die Bewertung eines anderen Menschen. Er kann einen positiven oder einen negativen Eindruck hervorrufen.“ Eine Geruchsprobe sage emotional betrachtet viel mehr aus als ein DNA-Beweis, der als Zahlencode im Computer verschwinde.
(24.05.2007)
[http://www.tagesspiegel.de/fragen-des-tages/archiv/24.05.2007/3285316.asp]