2007-06-23 

Aufruf: Kritik unter Generalverdacht. Wir sind alle 129a.

Autonome

Anlässlich des Vorgehens der Bundesanwaltschaft am Mittwoch, den 09.Mai 2007 gegen potenzielle G8-GegnerInnen wollen wir unserer Sorge und unserem Bedenken über die kontinuierliche Einschränkung und den fortschreitenden Abbau von bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechten Ausdruck verleihen.
Wir verurteilen die bundesweiten Hausdurchsuchungen und die Stigmatisierung der sozialen Bewegungen und des legitimen Protestes gegen den G8- Gipfel als „Terrorismus“.

Den UnterzeichnerInnen erscheint der Zaun um Heiligendamm als ein trauriges Symbol der Verfasstheit der demokratischen Staaten. Wenn sich die „wichtigsten politischen Führer der Welt“ (Schäuble) vor ihren Bürgern in einer modernen Burganlage verschanzen müssen und dafür immer ausgeklügeltere Sicherheitsmaßnahmen entwickelt werden, die den Freiheitsraum der Bevölkerung massiv einschränken, spricht dies eine deutliche Sprache.

Wir verstehen die Kriminalisierung der Proteste zum G8 Gipfel als einen Versuch Menschen davon abzuhalten ihr grundgesetzlich garantiertes Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahrzunehmen. Wir hoffen jedoch, dass das Gegenteil der Fall sein wird und viele sich jetzt einmal mehr aufgerufen fühlen, für eine sozial gerechte Gesellschaft zu demonstrieren und ihren Protest vielfältig zum Ausdruck zu bringen.
Der Versuch oppositionelle Haltung und politischen Betätigung zu einem kriminellen Akt umzudeuten ist gerade in Zeiten zunehmenden Unmuts über die arrogante Politik der G8, die zu immer mehr Armut, Krieg und sozialer Ungerechtigkeit führt, zum Scheitern verurteilt.

Die Bedrohung von AktivistInnen mit der Anwendung des Paragrafen 129a Strafgesetzbuch, der die Bildung einer „terroristischen Gruppe“ unter Strafe stellt dient einzig und allein dem Versuch der Bundesanwaltschaft, eine Drohkulisse aufzubauen und jeden Widerstand gegen den G8- Gipfel in der Öffentlichkeit zu delegitimieren.

Darüber hinaus dient der Pragraph 129a der Schaffung von Instrumenten zur Ausforschung von BürgerInnen und Bürgern. Mit dem Anfangsverdacht auf Mitgliedschaft in einer “terroristischen Vereinigung” eröffnet sich den Ermittlungsbehörden ein breites Arsenal an Sonderbefugnissen aus dem Strafverfahrensrecht. Dazu gehören neben diversen nachrichtendienstlichen und polizeilichen Überwachungsmöglichkeiten auch eingeschränkte Verteidigungsrechte.

Die jüngsten Hausdurchsuchungen wurden von Andreas Christeleit, dem Sprecher der Bundesanwaltschaft am 9.Mai 2007, gegenüber dem ZDF Heute Journal wie folgt kommentiert: „Die heutigen Durchsuchungen sollten Aufschluss erbringen über die Strukturen und die personelle Zusammensetzung von diesen Gruppierungen und dienten nicht in erster Linie zur Verhinderung von konkreten Anschlägen, dafür gab`s keine Anhaltspunkte.“
Wir verurteilen diese Art der Willkür, Rechtsbeugung und Kriminalisierung.

Vor diesem Hintergrund sehen wir im §129a ein Instrument staatlicher Willkür, das prinzipiell alle politisch aktiven und organisierten Bürger unter einen Generalverdacht stellen kann. Wir alle sind potentielle Verdächtige.

Die aktuelle Verwendung des Paragraphen 129a zeigt erneut, dass dieser seit seiner Aufnahme ins Strafgesetzbuch weniger zur Verhinderung von Anschlägen, als zu einer Durchleuchtung und Kriminalisierung von Personen und sozialen Bewegungen dient. Mehrere kleine Anfragen im Bundestag zeigten, dass weit über 90% aller Eingeleiteten 129a-Verfahren eingestellt werden mussten.

Mit Empörung haben wir die Forderung von Innenminister Schäuble aufgenommen, unter „Anfangsverdacht“ stehende Bürgerinnen und Bürger schon vor den Protesten in so genannten „Unterbindungsgewahrsam“ zu nehmen. Eine solche Internierung von G8-Kritikern auf Grundlage der Sicherheits- und Ordnungsgesetze der Länder würde eine neue Qualität der Beugung rechtsstaatlicher Grundsätze bedeuten und einen weiteren massiven Angriff auf bürgerliche Grund- und Freiheitsrechte bedeuten.
Die unter dem Titel „Schäuble-Katalog“ geplanten Maßnahmen sowie die Online-Durchsuchungen halten wir für unvereinbar mit den Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Demokratie. Als Gipfel der Aushebelung demokratischer Rechtsstaatlichkeit verstehen wir den Versuch Schäubles das Unschuldsprinzip zur Disposition zu stellen.

Die UnterzeichnerInnen fordern die ersatzlose Streichung der Paragraphen 129 ff.
Wir fordern die Innenminister der Länder auf, die Inhaftierung von G8-KritikerInnen (Unterbindungsgewahrsam) zu unterlassen.
Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht müssen gerade auch in Heiligendamm gewahrt bleiben.

Wer Kritik an der Politik der G8-Staaten unter Terrorverdacht stellt, meint auch uns!
Wer KritikerInnen an der Politik der G8-Staaten vorbeugend in Haft nehmen will, meint auch uns!

Möchten sie/ möchtet ihr diesen Aufruf unterstützen? Dann schicken sie/schickt ihr eine mail mit Vor- und Nachname & Berufsbezeichnung an die mailadresse:

meinungsfreiheit@web.de

UnterstützerInnen: (Stand: 23.5.2007)

1. Berthold Seliger, Konzertagent

2. Jan Sauerwald, Kulturarbeiter

3. Prof. Dr. Thomas Kuczynski, freier Publizist

4. Julia Schnegg, Grafikerin

5. Dr. Ines Köhler, Ärztin

6. Karin Kasböck & Christoph Leitner, Kunstduo Bankleer

7. Siegfried Dierke, Referent für Gesundheitspolitik und Pflege,Fraktion Die Linke. im Bundestag

8. Peter Wolter, Journalist

9. Christoph Kleine, Pressesprecher Kampagne Block G8

10. Prof. Dr Wolf-Dieter Narr, Professor für empirische Theorie der Politik, FU Berlin

11. Judith Demba ,Verein für europäische Bildung und Kommunikation

12. Martin Hantke, European Watch

13. Detlev v. Larcher, Attac- Koordinierungskreis

14. Bianca Schemel, Kulturwissenschaftlerin

15. Sevim Dagdelen, MdB Die Linke

16. Katharina Stahlmann, Organisationsberaterin

17. Susanna Cardelli, Szenenbildnerin

18. Jochen Becker, Kritiker/Kurator

19. Kurt Blank-Markard, Grafikdesigner

20. Ulla Jelpke, MDB Die Linke

21. Carmen Ludwig, stellv. Landesvorsitzende GEW Hessen

22. Christian Schlag, Student

23. Bernadette La Hengst, Musikerin

24. Kerstin Davies

25. Julien Enoka Ayemba, Diplom Medienberater/Kulturarbeiter

26. Anne Schülke, Autorin

27. Arvid Bell, Vertreter der Grünen Jugend im Attac-Koordinierungskreis

28. Manuel Klein, Sozialpädagoge

29. Tobias Pflüger, linker Europaabgeordneter, Vorstand Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

30. Wolfgang Wortmann – Konzertveranstalter

31. Franz-Josef Hanke, Freier Journalist, Landessprecher der Humanistischen

Union Hessen

32. Astrid Schaffert

33. Michael Prütz, Landesvorstand WASG-Berlin

34. Anne Frisius, Filmemacherin

35. Henrike Kochta, Therapeutin

36. Christian von Borries, Musiker

37. Elske Rosenfeld, Kulturarbeiterin

38. Matthias von Hartz, Regisseur

39. Sibylle Schubert, Multimediaproduzentin

40. Thomas Temme, Geschäftsentwickler

41. Susanne Kontzi, Apothekerin

42. Cordelia Marten, Kunstwissenschaftlerin

43. Hendrik Unger, Kulturproduzent

44. Ramin Raissi, Autor

45. Sonja Hohenbild, Künstlerin

46. Kay Wendel, Babylonia e.V.

47. Sebastian Scheele, Soziologe

48. Diedrich Diederichsen, Kulturwissenschaftler

49. Sandra Borgers, dipl. Sozialarbeiterin

50. Martin Raasch, Software-Entwickler

51. Lars Dieckmann, Landesvorstand Rosa Luxemburgstiftung NRW, LiLi Siegen

52. Alice Creischer, Künstlerin

53. Johannes Raether, Künstler

54. Daniel Bendix, Dipl. Politologe

55. Sarah Delmann, Filmwissenschaftlerin

56. Elisabeth Holzer, Studentin

57. Pedram Shahyar, Koordinierungskreis Attac Deutschland

58. Miriam Pietrusky, Studentin

59. Richard Schmid, Diplomsozialwirt, Koordinierungskreis Attac Deutschland

60. Sabine Leidig, Geschäftsführerin Attac-Deutschland

61. Stephan Dillemuth, Künstler und Professor an der Akademie dBK München

62. Verena Halsmayer, Studentin

63. Adolf Riekenberg, Koordinierungskreis Attac Deutschland

64. Katrin Albrecht

65. Verena Scharf, Sozialarbeiterin

66. Carsten Does, Politologe/Filmemacher

67. Stefan Demming, Künstler

68. Astrid Nippoldt, Künstlerin

69. Roland, Piazzi, Student

70. Benjamin Cölle, Sudent

71. Peter Schernhuber, Kulturarbeiter / Medialobbyist / Medien Kultur Haus Wels

72. Marina Steinacker, Künstlerin

73. Katharina Gaber, Studentin

74. Paula Herm, Studentin

75. Susanne Foidl, Dipl. Schnittmeisterin

76. Mirjam Dumont

77. Fred Plassmann, Filmemacher

78. Prof. Jörg Kirschenmann, Hochschule für Künste FB Bildende Kunst Bremen

79. Clemens Lahner, Rechtsanwaltsanwärter

80. Till Brandt, Musiker

81. Anna Peak, Zimmerin

82. Roland Süß, Koordinierungskreis Attac Deutschland

83. Katja Kipping, stellvertretende Bundesvorsitzende Linkspartei.PDS

84. Christian Kupke, Philosoph

85. Helga Seyb, Dipl. Politologin

86. Jenny Hauke, Studentin

87. Sibylle Hamann, Studentin

88. Jakob Weydemann, Filmemacher

89. Gez. Christian Tedjasukmana, Freie Universität Berlin

90. Dr. Arnd Hofmeister; Hochschullehrer

91. Tobias Hülswitt, Autor

92. Dr. Thomas Sablowski, Sozialwissenschaftler

93. Prof. Dr. Thomas Marxhausen

94. Björn Wagner, Politologe

95. Judith Schneider, Studentin

96. Stephan Karpischek, Internet Technologist

97. Dr. Bernd Belina, Geograph

98. Dr. Mario Candeias, Politikwissenschaftler

99. Franziska Drohsel, Landesvorsitzende der Jusos Berlin

100. Sascha Kimpel, Die Linke.Berlin

101. Robin Cackett, literarischer Übersetzer

102. Maya Graber, Bildhauerin

103. Christof Mauersberger, Student

104. Prof. Dr. Michael Brie, Rosa-Luxemburg-Stiftung

http://129akriminalisiertprotest.wordpress.com/


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