2007-05-21
In Heiligendamm werden Demonstranten ausgesperrt. Daher fürchten die Einsatzkräfte, dass militante G-8-Kritiker nach Hamburg ausweichen. Schon am Wochenende herrscht Großalarm: zum Asem-Treffen – und beim Spiel St. Pauli gegen Dynamo Dresden.
Hamburg – Die heiße Phase beginnt: Die Hamburger Polizei ist ab Freitag bis zum Ende des G-8-Gipfels in Heiligendamm für 14 Tage im Dauerstress. Zum Auftakt drohen Hooligan-Krawalle, denn der FC St. Pauli hat Dynamo Dresden im Stadion am Millerntor zu Gast. Brisantes Spiel. Die Fans des Ost-Clubs gelten zum Teil als rechtsradikal und gewaltbereit. Doch die größte Sorge der Behörden gilt den Globalisierungskritikern – vor allem potentiellen Störern und Gewalttätern – und die werden ab Pfingsten erwartet.
Am 28. Mai beginnt in Hamburg der zweitägige Asem-Gipfel, die größte außenpolitische Veranstaltung während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. 46 Außenminister aus Europa und Asien reisen an, um hier am runden Tisch zu beraten. Auf der Agenda stehen schwierige politische Themen: Afghanistan, Irak, Iran, Klimawandel und Anti-Terrorkampf. Aber auch wirtschaftliche Zusammenarbeit und Handel.
Der Tagungsort – Rathaus und Handelskammer – wird abgesperrt, ebenso das feine Hotel Atlantic, wo die Minister nächtigen. Die Hamburger Polizei hat in anderen Bundesländern um Verstärkung gebeten und bekommt sie auch: Aus Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Bremen. Wieviele Beamte für das Mammut-Treffen im Einsatz sein werden, will die Polizei offiziell nicht preis geben. Hinter vorgehaltener Hand fällt jedoch die Zahl von 2000 Mann im Dauereinsatz.
Seit Monaten schon sendet die Hamburger Polizeiführung Signale des Willens zum harten Durchgreifen in die Linke Szene. “Null Toleranz” und “niedrige Einsatzschwelle” lauten die Credos von Polizeipräsident Werner Jantosch und dem parteilosen Innensenator Udo Nagel, die sie regelmäßig anlässlich des G-8-Gipfels in Heiligendamm und des Asem-Treffens wiederholen.
Das linke Kulturzentrum “Rote Flora” im Schanzenviertel und Privatwohnungen in Hamburg gehörten zu den Gebäuden, die bei einer bundesweiten Razzia gegen militante Gipfel-Gegner am 9. Mai durchsucht wurden.
Bisher hat die Strategie wenig gefruchtet: Noch am gleichen Abend lieferten sich Militante in Hamburg Straßenschlachten mit der Polizei. In der vergangenen Woche setzten Linksradikale in der Hansestadt ihre Anschlagsserie fort. Das Haus des Technikchefs der Lufthansa und ein Luxushotel an der Elbchaussee wurden mit Farbbeuteln und Steinen beworfen. Zu beiden Fällen bekannten sich militante Gipfelgegner. Seit 2005 hat es immer wieder ähnliche Taten im Großraum Hamburg gegeben. Allein im vergangenen Jahr neun, unter anderem auf das Haus von Finanzstaatssekretär Thomas Mirow. Die Täter sind bis heute unbekannt.
Auch friedlichen Protest wollen die Behörden von den Ministern fernhalten. Seit Wochen streiten sich Polizei und Globalisierungskritiker über die Route einer lange angemeldeten Demonstration in Hamburg. Motto: “Gate to Global Resistance”. Angemeldet sind 5000 Teilnehmer.
Auch heute saßen sich die Kontrahenten wieder gegenüber – ohne Einigung. Die Veranstalter von der Roten Flora wollen den Protestzug von der Reeperbahn auf St. Pauli zum Rathaus führen. “Der Protest muss sich dort Gehör verschaffen können, wo die Veranstaltung stattfindet”, begründet Andreas Blechschmidt, Sprecher der Roten Flora, das Anliegen. Doch die Polizei hält dagegen. Der Rathausmarkt sei gesperrt. “Da geht es natürlich um Sicherheit”, erklärt Polizeisprecher Ralf Meyer.
DER GIPFEL DER ACHT IN HEILIGENDAMM
Vom 6. bis 8. Juni treffen sich die Staats- und Regierungschefs der sogenannten G-8-Staaten – also der sieben führenden westlichen Industrienationen und Russlands – im Ostseebad Heiligendamm zum Weltwirtschaftsgipfel. Themen der Zusammenkunft, zu der Kanzlerin Angela Merkel eingeladen hat, sind die globale Wirtschaft und die Entwicklung Afrikas. Doch nicht nur Politiker aus aller Welt werden Anfang Juni in Mecklenburg-Vorpommern erwartet. Die Veranstalter rechnen auch mit der Anreise von bis zu 100.000 Globalisierungsgegnern.
Auch über die Versammlungsleitung herrscht Dissenz. Angemeldet ist Fritz S., Hamburger Altautonomer. Die Polizei lehnt ihn in dieser Funktion ab, weil Ermittlungen wegen “Bildung einer terroristischen Vereinigung” laufen. Beamte haben auch seine Wohnung im Rahmen der bundesweiten Razzia Anfang Mai aufgesucht. Nach Informationen des SPIEGEL nahmen sie Geruchsproben des 68-Jährigen (mehr…). Damit sollen hochtrainierte Hunde eine eventuelle Tatbeteiligung bei möglichen Anschlägen nachweisen. Blechschmidt spricht von haltlosen Vorwürfen gegen den Uni-Dozenten. “Das Leiten einer Versammlung ist ein Grundrecht.” Das Reden hat nun ein Ende: Die Demo-Veranstalter wollen gerichtlich gegen die polizeilichen Einschränkungen vorgehen.
Die Hamburger Behörden rechnen mit bis zu 3000 gewaltbereiten Protestierern in den nächsten Wochen. Die Situation hat sich der Polizei zufolge in den vergangenen Tagen noch verschärft: Seit über den Gipfel-Veranstaltungsort Heiligendamm eine kilometerbreite Bannmeile verhängt worden ist. Der Protest könnte sich Ausweichziele suchen. Die Hauptstadt Berlin etwa. Oder: “Wir können eine teilweise Verlagerung des Protests nach Hamburg nicht ausschließen”, fasst Polizeisprecher Meyer die hier weiter gewachsenen Sorgen zusammen. Deshalb wird Hamburg nun auch keine Einsatzkräfte für Heiligendamm stellen.
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