2007-05-21
Der Badeort gleicht zwei Wochen vor dem Gipfel einer militärischen Sperrzone. Gegner wehren sich vor Gericht
Kaum zu glauben: “Es gibt großes Interesse an einer Weiterverwendung des Zauns”. Der sonst so nordisch-spröde Harald Ringstorff trägt eine gute Portion Stolz in der Stimme. “Offenbar legen immer mehr Veranstalter in Deutschland Wert auf allergrößte Sicherheit”, fährt er schmunzeld fort.
Wer in aller Welt braucht denn so ein Zaun-Ungeheuer?
Wenige Tage, bevor Heiligendamm im G8-Fieber versinkt, sitzt Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident beim Kaffee in der dunkel-vertäfelten Bibliothek des 5-Sterne Kempinski Hotels. Dort, wo sich ab dem 6. Juni die Staats- und Regierungs-Chefs der G8-Wirtschaftsnationen treffen.
Während er spricht, faucht ein Kampfjet über den kleinen Badeort und verschluckt jedes Wort.
Die Wahrheit ist: Niemand in Deutschland braucht künftig so eine Sperranlage, zumindest nicht so. Auch Ringstorff weiß, dass es auf absehbare Zeit kein Ereignis geben wird, das derart hohe Standards erfüllen soll. Aber der Landesvater wäre der Letzte, der etwas dagegen hätte, wenn diese 12,5-Millionen-Anlage wenigstens in Teilen verkauft wird.
Alles in allem wird der Gipfel eh schon rund 100 Millionen Euro verschlingen: 16 000 Polizisten werden in einem Kreis von 40 Kilometern alles absichern. Die Luftwaffe kontrolliert das Flugverbot über der Region, die Marine sperrt die Seeseite ab – mithilfe zweier Kriegsschiffe der US-Navy.
Krieg in Mecklenburg? Der Staat rüstet sich zum Kampf gegen Terroristen und militante Globalisierungsgegner. Dabei nehmen verantwortliche Politiker wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Kauf, dass gewöhnliche Kritiker des G8-Gipfels in ihrem Demonstrationsrecht massiv eingeschränkt werden.
Militärisch sind die Vorbereitungen weitgehend abgeschlossen: So verstärkten Arbeiter noch gestern den Zaun am Strand. Im Wasser wurde ein Sperrnetz (3,5 Kilometer lang, 20 Meter tief) versenkt. Juristisch aber ist das letzte Wort nicht gesprochen.
Das Verwaltungsgericht Schwerin verhandelt seit gestern über einen Eilantrag gegen ein Demonstrationsverbot. Es sieht vor, dass Demonstranten während des Gipfels mehre Kilometer Abstand zum Zaun halten müssen (die blaue Linie in der Karte). Diese Bannmeile soll auch für den Flughafen Rostock gelten, auf dem Teile der G8-Delegationen landen.
Auch friedliche G8-Kritiker wären so aus Hör- und Sichtweite. Ob Demonstranten den mächtigen Zaun überhaupt je zu Gesicht bekommen, entscheidet sich erst kommende Woche.
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