2007-05-19 

BUKO: Mehr als ein Gipfelsturm

Mehr als ein Gipfelsturm
VON DER BUNDESKOORDINATION INTERNATIONALISMUS (BUKO)

Das Volk muss draußen bleiben (ap)
Es ist eine breite Bewegung gegen den G8-Gipfel entstanden, der in drei Wochen in Heiligendamm stattfinden wird. Zusammen mit Kirchen- und Umweltverbänden, Attac, der Linkspartei, Teilen der Gewerkschaften und radikaleren linken Gruppen nehmen wir den G8-Gipfel zum Anlass, uns politisch zu verständigen, Kritik an der herrschenden Politik zu formulieren und Alternativen aufzuzeigen: Hin zu einer solidarischen Ökonomie, einer progressiven Bildungspolitik, einer sozialen und ökologischen Landwirtschaft und einem gerechten Nord-Süd-Verhältnis.

Naive Gespräche

Die aktuelle Mobilisierung ist mehr als nur ein "Gipfelsturm", denn vielen ist klar, dass über die Störung des Treffens an der Ostseeküste hinaus tief greifende soziale Veränderungen nötig sind. Progressive soziale Kämpfe benötigen Kristallisationsmomente, an denen sie ihre von den herrschenden Entwicklungen grundlegend verschiedenen politischen Ziele deutlich machen können. Gesellschaftliche Kräfteverhältnisse werden verschoben, indem immer mehr Menschen sich gegen die Zumutungen herrschender Politik stellen. Nur so gelingt es, der dogmatischen Ausrichtung staatlicher Politik an Unternehmensinteressen, Sozialabbau und umweltschädlicher Politik soziale Alternativen entgegenzusetzen.

Viele Nichtregierungsorganisationen treten mit Forderungen für eine andere Politik an die G8 heran. Diese Forderungen sind in vielen Fällen nur wenig radikal, weil sie sonst von den Regierungen nicht gehört würden. Sie tragen dazu bei, die G8 als Adressatin zu legitimieren und ermöglichen zudem den Anschein des kritischen Dialogs mit der Zivilgesellschaft. So wichtig es ist, in bestimmten Fragen Lobbying zu betreiben, so verengt es den Blick dafür, dass notwendige Veränderungen breiter ansetzen müssen.

Weite Teile der G8-Mobilisierung richten sich deshalb im Kern gegen die Anmaßung der Regierungen, die vorgeben, die Probleme der Welt zu lösen, die sie selbst maßgeblich mit verursachen. Weder können sie die Probleme lösen, noch wollen sie es. Daher halten wir einen politischen Ansatz für falsch, der mit guten Argumenten die Regierungen zu besserem Handeln bewegen möchte. Das ist naiv. Die Klima- und Energiepolitik lehrt, dass die Regierungen das bestehende, Ressourcen fressende Produktions- und Konsummodell nicht in Frage stellen. Eine andere Klimapolitik würde heißen, sich hierzulande massiv mit der Industrie anzulegen - und mit dem Konsumverhalten einer großen Anzahl von Wählern.

Es bedarf nicht nur eines Politikwechsels, sondern der Veränderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Ein Teil dieser Veränderung ist die Delegitimierung der herrschenden Politik - insbesondere der G8. Wenn die Botschaft in einer breiten Öffentlichkeit ankommt, dass die Regierungen der G8 nicht Verbündete sind, sondern Teil des Problems, dann wirkt das für viele Menschen politisierend und öffnet Räume für eine andere Politik - mittelfristig auch für eine andere staatliche Politik.

Die Gefahr der Lobby-Position vieler Nichtregierungsorganisationen liegt darin, dass sie der Bundesregierung in die Hände spielt. Die wird in den kommenden Wochen zunehmend zwischen guten Protestierenden (Nichtregierungsorganisationen) mit "vernünftigen" Alternativen und jenen unterscheiden, die radikalere Positionen vertreten oder zivilen Ungehorsam betreiben und gegen die nur Polizeigewalt helfe. Die Hausdurchsuchungen bei Teilen der Protestbewegung letzte Woche sind Teil einer solchen Strategie.

Wer die G8 als Adressatin von Lobbying legitimiert, unterläuft radikale Forderungen und Ansätze, die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich in Frage stellen und grundlegend verändern wollen. Gerade das ist aber angesichts der enormen Probleme in der Welt dringend notwendig.

[http://fr-online.de/in_und_ausland/politik/meinung/standpunkte_aus_der_zeitung/?em_cnt=1138390]