2007-05-19 

FR: Geißler verteidigt Anti-G8-Demonstrationen

Kritiker des G8-Gipfels in Heiligendamm haben am Freitag ihre Absicht bekräftigt, gegen die von der Polizei verhängte kilometerbreite Bannmeile zu klagen.

“So was geht nicht in einem Rechtsstaat”

(ddp) Frankfurt a. M. – Heiner Geißler, ehemaliger CDU-Generalsekretär und seit dieser Woche Mitglied beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac, sagte der Frankfurter Rundschau, dass “einige Polizeiführer wohl meinen, am besten gäbe es gar keine Demonstrationen, dann kann nichts passieren. Aber so was geht nicht in einem Rechtsstaat.” Das Demonstrationsrecht, so Geißler, bestehe darin, “dass die Bürger den Regierenden zeigen können, womit sie nicht zufrieden sind. Diese Kritik müssen die Adressaten auch zur Kenntnis nehmen können. Wenn die Kritik aber schon rein technisch nicht mehr durchdringen kann, dann wird das Demonstrationsrecht ad absurdum geführt.”

Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie sagte der FR, es sei “grotesk, wenn Bundeskanzlerin Merkel jetzt beim EU-Russland-Gipfel in Samara vom russischen Staatschef Putin Demonstrationsfreiheit einfordert, zuhause in Deutschland aber entschieden wird, die Demonstrationsfreiheit zum G8-Gipfel weiträumig außer Kraft zu setzen”. Sie wies darauf hin, dass die G8-Gegner neben dem Demonstrationsverbot auch mit vorbeugender Haft, Reiseverboten und Grenzkontrollen zu rechnen hätten.

Default Banner Werbung
Tobias Pflüger, Abgeordneter der Linksfraktion im Europaparlament, sagte der FR, dass “die Gipfel-Gegner Stück für Stück weiter kriminalisiert werden und sich die Lage dadurch verschärft”. Es entstehe der Eindruck, dass die Behörden den “legitimen und legalen Protest treffen wollen”.

Mehr zum Thema
Fotostrecke: Razzia bei Gegnern des G8-Gipfels
Die Organisatoren des für den 7. Juni geplanten Sternmarsches nach Heiligendamm wollten noch am Freitag Klage gegen das Demonstrationsverbot beim Schweriner Verwaltungsgericht einreichen. Ihr Anwalt Carsten Gericke sagte, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Gefahren von dem Sternmarsch ausgingen. Laut Gericke ist die Voraussetzung für die Verhängung eines allgemeinen Demonstrationsverbots, ein bestehender polizeilicher Notstand, nicht gegeben. Immerhin sollten rund 16 000 Polizisten das Treffen der G8-Staatschefs schützen.

Mobilisierung der linken Szene

Attac kündigte an, sich an einer Klage gegen das Demonstrationsverbot zu beteiligen. Dieses sei “eine kalte Unterhöhlung des Demonstrationsrechts, das wir nicht akzeptieren. Wir werden juristische Maßnahmen unterstützen”, sagte Attac-Aktivist Peter Wahl. Sein Kollege Sven Giegold sagte, man rechne mit einem friedlichen Verlauf der Proteste. Er gehe davon aus, dass das Demonstrationsverbot keinen Bestand haben werde. “Die G8-Regierungschefs müssen die Proteste der Menschen hören können.”

Attac hat nach eigenen Angaben nach der Verhängung der Bannmeile und den Razzien gegen Globalisierungsgegner eine starke Mobilisierung der linken Szene ausgemacht. Der Verkauf von Bustickets nach Heiligendamm sei enorm gestiegen, sagte Attac-Aktivist Giegold. Man rechne mit mehr als 100 000 Demonstranten.

Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, sagte unterdessen militanten Globalisierungsgegnern vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm den Kampf an. “Es ist unser Ziel, dass wir Militanz verhindern wollen. Wir müssen ausschließen, dass es zu Ausschreitungen und Anschlägen kommt und die Konferenz dadurch gestört wird”, sagte er der Welt.

Unbekannte warfen am Freitagmorgen in Hamburg Steine und mit Farbe gefüllte Gläser auf das Haus des Chefs der Lufthansa-Technik, August Wilhelm Henningsen. Dabei gingen auch Scheiben zu Bruch, Menschen wurden nicht verletzt. Die Polizei schloss einen Zusammenhang mit dem kommenden G8-Gipfel nicht aus; der Staatsschutz habe die Ermittlungen aufgenommen, hieß es. Hans-Hermann Kotte

[http://www.fr-online.de/top_news/?sid=3cb298af7a140b710fd5fc13fe4d8d62&em_cnt=1138500]