2007-05-16 

Aufregung um geplantes Demonstrationsverbot zum G8-Gipfel

Heiligendamm (dpa) – Die Gegner des G8-Gipfels hatten es schon lange befürchtet: Die Polizei will Demonstrationen rund um den Gipfelort Heiligendamm verbieten. Wegen einer «andauernden Bedrohungssituation» sollen in einer Zone von 200 Metern vor dem Sicherheitszaun um das Ostseebad keine öffentlichen Versammlungen erlaubt werden.

Vom 30. Mai bis 8. Juni sind zudem in einem fünf bis zehn Kilometer breiten Gürtel alle unangemeldeten Proteste verboten. In der Protestszene rief die Entscheidung heftige Reaktionen hervor. Die Vorwürfe an die Polizei reichen vom Angriff auf die Grundrechte bis zur Täuschung der Öffentlichkeit. Ein geteiltes Echo gab es in der Politik. Das Bundesinnenministerium stellte sich hinter die Polizei, SPD und Linkspartei meldeten dagegen Bedenken an.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, nannte die Verfügung eine «undemokratische Willkürhandlung nach dem Vorbild der “Operation Schutzwall” beim G8- Gipfel 2006 im russischen Sankt Petersburg.» Damals waren die Sicherheitsorgane wegen ihres rigiden Vorgehens kritisiert worden. Jelpkes SPD-Amtskollege, Dieter Wiefelspütz, sagte, grundsätzlich dürfe nicht in Zweifel gezogen werden, dass man in Deutschland friedlich und ohne Waffen gegen den G8-Gipfel demonstrieren darf. In einem Gespräch mit der Financial Times Online äußerte er: «Es müssen schon sehr gute Gründe vorliegen, um ein Demonstrationsverbot zu begründen.» Das letzte Wort würden die Gerichte haben.

Darauf wird es wohl hinauslaufen. Die Gipfel-Gegner kündigten umgehend an, Widerspruch bei den Verwaltungsgerichten einzulegen. Die Organisation Gipfelsoli Infogruppe warf der Polizei vor, die Verbotsankündigung so spät erlassen zu haben, um den Gegnern nicht genug Zeit zu lassen, sich vor Gericht zu wehren. «Die Polizei spielt auf Zeit. Damit wird der juristische Klageweg beschnitten», sagte ein Sprecher. Zudem seien die Demonstranten getäuscht worden. Monatelang habe es geheißen, beim Gipfel werde es keine «Bannmeilen» geben.

Die Gruppe Kampagne Block G8 machte deutlich, sie werde eine mögliche Niederlage vor Gericht nicht hinnehmen. Die Allgemeinverfügung sei ein schwerer Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. «Tausende von Menschen werden sich nicht vorschreiben lassen, wo sie gegen G8 zu protestieren haben und die Verfügung in einem Akt des Zivilen Ungehorsams bewusst missachten», hieß es. Die Gruppe will nach eigenen Angaben die Zufahrtswege zum Gipfelort Heiligendamm und zum Flughafen Rostock-Laage blockieren.

Innenstaatssekretär August Hanning sagte im ARD-«Morgenmagazin»: «Wir haben als Gastgeber die Pflicht, dass wir alles tun, um unsere Gäste zu schützen.» Laut Hanning haben die Sicherheitsbehörden bislang keine Erkenntnisse, dass gewaltsame Aktionen gegen Menschen geplant sind. «Aber wir wissen von Aktionen, die zumindest gefährdenden Charakter haben.» Er sei überzeugt, dass der ganz überwiegende Teil der Demonstrationen friedlich verlaufen werde. Aber es gebe auch einige Störer.

Um die Gefahr eines Terroranschlags auf den Gipfel abzuwehren, wird auch die Bundeswehr eingesetzt. Auf der Grundlage von Artikel 35 soll sie den Luft- und Seeraum sichern. Danach können etwa Marineboote nach Fremdkörpern im Wasser suchen, dürften aber ein für einen Anschlag entführtes Passagierschiff nicht unschädlich machen. Auch angesichts dieses Dilemmas unternahmen Spitzen der großen Koalition am Mittwoch einen neuen Anlauf zur Grundgesetzänderung für Bundeswehreinsätze im Inland. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) strebt eine Verfassungsnorm an, die zwischen Verteidigungsfall und polizeilicher Gefahrenabwehr liegt. Die SPD will sich nur auf eine Erweiterung des Artikel 35 Grundgesetz einlassen, der die Amtshilfe der Streitkräfte für die Polizei regelt.

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