2007-05-13
Anwälte wollen Protestierern gegen den G-8-Gipfel bei der Wahrung ihrer Rechte helfen. Ein Gespräch mit Britta Eder
Britta Eder ist Mitglied des Vorstandes des Republikanische Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV)
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich für die verstärke Nutzung des sogenannten Unterbindungsgewahrsams ausgesprochen. G-8-Gegner können demzufolge, ohne eine Straftat begangen zu haben, in Haft genommen werden. Mit welchen Mitteln können sich Betroffene gegen ihre Internierung wehren?
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß die Polizei immer mehr auf das Instrument der massenhaften Ingewahrsamnahmen zurückgreift. Die jüngsten Äußerungen von Herrn Schäuble lassen Schlimmstes befürchten. Das Gesetz sieht vor, daß die Polizei Menschen nur in Gewahrsam nehmen kann wenn die konkrete Gefahr besteht, daß die Begehung von Straftaten durch sie unmittelbar bevorsteht. Der Begriff der Gefahr ist jedoch schwammig und deshalb sehr auslegbar.
Die Polizei darf keineswegs selbstherrlich über die Freiheit von Personen entscheiden. Sie muß, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, alles dafür tun, daß unverzüglich, das heißt innerhalb weniger Stunden, eine richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung herbeigeführt wird. Wenn dies nicht unverzüglich erfolgt, wie leider allzu oft der Fall, ist der Freiheitsentzug schon deshalb rechtswidrig. Wir setzen uns dafür ein, daß entgegen der jetzigen Praxis unverzüglich Richter entscheiden, da dies in der Vergangenheit in vielen Fällen zu sofortigen Freilassungen geführt hat, da die Richter das Vorliegen einer konkreten Gefahr verneinen.
In Mecklenburg-Vorpommern werden bereits Massengefängnisse errichtet, die während des Gipfels als Gefangenensammelstellen dienen sollen. Hat dieses Vorgehen überhaupt noch etwas mit Rechtsstaatlichkeit gemein?
Bei der Errichtung sogenannter Käfige stellt sich tatsächlich immer wieder die Frage, inwieweit ein derartiges Vorgehen noch mit der Menschenwürde vereinbar ist. Die angekündigte massenhafte Inhaftierung großer Gruppen von Menschen bereits im Vorfeld der Proteste läßt befürchten, daß für zahlreiche Betroffene die Rechte auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit ins Leere laufen. Schließlich muß es als eine Art Ersatzbestrafung erscheinen, wenn Menschen die Freiheit entzogen wird, ohne daß sie gegen Recht verstoßen haben.
Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) hat angekündigt, einen Notdienst für Demonstranten einzurichten, die im Rahmen der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm von der Polizei festgenommen werden. Was genau ist geplant?
Der vom RAV und der Vereinigung der Strafverteidiger Mecklenburg-Vorpommern eingerichtete anwaltliche Notdienst wird eng mit dem in dieser Zeit vorhandenen Ermittlungsausschuß zusammenarbeiten. Über diesen sind wir für alle Demonstranten 24 Stunden erreichbar. Die Anwälte werden unterschiedlichste Bereiche abdecken. Bei Demonstrationen oder anderen Aktionen werden wir unmittelbar vor Ort sein, um die Betroffenen bei der Verwirklichung und Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen und gegenüber der Polizei zu vertreten. Darüber hinaus ist uns wichtig, in den Gefangenensammelstellen präsent zu sein und die Betroffenen in Freiheitsentziehungsverfahren zu vertreten
Die Polizei scheint nicht bereit zu sein, mit dem anwaltlichen Notdienst zu kooperieren.
Erfahrungen von anderen politischen Großereignissen haben gezeigt, daß vorherige Absprachen mit Polizeibehörden und Gerichten wesentliche Voraussetzungen dafür sind, daß die Betroffenen ihre Rechte, auch mit der Hilfe von Anwälten, effektiv wahrnehmen können. Um dies zu ermöglichen, sind insbesondere ein freier Zugang der Anwälte zu Betroffenen in jeder Situation, die Gewährleistung einer unverzüglichen richterlichen Entscheidung bei Freiheitsentziehungen, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit von Anwälten zum Beispiel über Straßensperren hinaus Voraussetzungen. Unsere bisherigen Versuche, mündlich oder schriftlich diese Fragen mit der Aufbau-Organisa tion der Polizei (BAO) »Kavala« zu erörtern und die benannten Rechte zugesichert zu bekommen, sind bisher abgeblockt worden. Der RAV befürchtet, aufgrund der bisherigen Kooperationsverweigerung, daß wenig Interesse an der Anwendung einer deeskalierenden Polizeistrategie besteht.
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