2007-05-12
Gestern, am 9. Mai 2007, wurden bundesweit ca. 40 Wohnungen, Häuser und Büros, die GegnerInnen des G8-Gipfels gehören, von 900 Beamten in einer konzertierten Aktion durchsucht. Die Razzien dauerten von 8.00 morgens bis in die Abendstunden. In Bremen waren davon zwei Häuser in Bremen betroffen. Ca. zwanzig Personen wird im Rahmen zweier getrennter Ermittlungsverfahren die Bildung bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) vorgeworfen. Wir, das Bremer Bündnis gegen den G8, möchten zu dieser Kriminalisierung von GipfelgegnerInnen hier Stellung nehmen:
Es ist sicherlich kein Zufall, dass vier Wochen vor dem Gipfeltreffen in Heiligendamm der Versuch unternommen wird, unter fadenscheinigen Vorwänden und unter lautem ,Terrorismus!'-Geschrei den Widerstand gegen den Gipfel zu verunsichern, zu spalten und in der Öffentlichkeit zu delegitimieren. Mit dem Vorwurf der ,Bildung einer terroristischen Vereinigung' werden staatlicherseits gezielt schwere Geschütze aufgefahren: Denn "Terror", das ist -- laut Fremdwörterduden -- die "systematische Verbreitung von Angst und Schrecken". Im Gefolge der Anschläge des 11. Septembers wird mit dem Begriff des ,Terrors' bewusst unscharf hantiert. Dass es den GipfelgegnerInnen nicht um die "systematische Verbreitung von Angst und Schrecken" geht, sondern um die fundierte Kritik an und den legitimen Widerstand gegen kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse weltweit, ist offenkundig -- aber vielleicht ist es nicht überflüssig, es an dieser Stelle noch einmal zu erwähnen.
In der Begründung des Durchsuchungsbeschlusses findet sich eine wahllose Aneinanderreihung unaufgeklärter Sachbeschädigungen der letzten zwei Jahre. Nicht wahllos, aber willkürlich ist die Liste der Personen, gegen die ermittelt wird. Es drängt sich der Schluss auf, dass selbst die Ermittlungsbehörden nicht davon ausgehen, die Angeschuldigten hätten gemeinsam eine terroristische Vereinigung gebildet, sondern dass hier ein möglichst breites Spektrum der Anti-G8-Bewegung kriminalisiert werden soll.
Der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung stützt sich allein darauf, dass einige der Beschuldigten auf denselben Treffen der Anti-G8-Kampagne gewesen sein sollen -- Treffen, zu denen öffentlich eingeladen wurde, die allgemein zugänglich waren, und an denen z. T. mehrere hundert Personen teilgenommen haben. Über diese Treffen wurde z. T. auch in der Presse berichtet, wie z. B. über den BUKO-Kongreß im Mai 2005 in Hamburg.
"Terror", das heißt also, das Bundeskriminalamt beim Wort genommen, mittlerweile: "gemeinsame Teilnahme an öffentlichen Treffen, die sich kritisch mit den herrschenden Gewaltverhältnissen auseinandersetzen." In dieser Überdehnung des Begriffs wird mehr als deutlich, dass es um die Stigmatisierung politischer AktivistInnen geht und um die Delegitimierung radikaler Kritik.
Die Vorwürfe sind haltlos. Das weiß natürlich auch das BKA und die Bundesanwaltschaft. Es geht in Ermittlungen nach § 129a nicht darum, Verurteilungen zu erzielen, sondern um die Ausforschung und Einschüchterung politisch aktiver Personen.
Von den Vorwürfen wird juristisch nichts übrigbleiben. Vielleicht hatte die Bundesanwaltschaft bei der Konstruktion der Vorwürfe folgende Definition von "Terror" im Sinn: "Terror", das ist dem Duden zufolge nämlich auch "großes Aufheben um Geringfügigkeiten"!
Was auf unserer Seite jedoch übrig bleiben wird, ist der massive Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen: das Recht auf die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und, vor allem: das Recht auf freie Meinungsäußerung!
Das Kalkül, kurz vor dem Gipfel mit einer medienwirksam inszenierten "Terror"-Aufführung linke emanzipatorische Bewegungen zu kriminalisieren, zu spalten und einzuschüchtern, wird nicht aufgehen. Wir bleiben dabei: Jetzt erst recht!
Bremen, 10. Mai 2007
Bremer Bündnis gegen den G8