2007-05-10 

Erklärung der Sichelschmiede zu der Durchsuchungswelle am 9. Mai 2007

Sichelschmiede
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10.Mai 2007

Betroffen sind Einzelne, gemeint sind wir alle

Am 09.05.07 hat die erste größere Repressionswelle gegen globalisierungskritische AktivistInnen und linke Projekte in der BRD begonnen. Allein in Berlin wurden mindestens 18 Wohnprojekte, Büroräume und Privatwohnungen durchsucht, unter anderem das alternative Kulturzentrum Mehringhof und das Künstlerhaus Bethanien. Unter dem Vorwand, nach Beteiligten an Anschlägen zu suchen, hat die Polizei versucht, die Infrastruktur der Gipfelgegner lahmzulegen und die Bewegung gegen den G8 als "terroristisch" zu diskreditieren. Dieser Versuch darf als misslungen gelten: Im Laufe des Tages kam es bereits zu zahlreichen Spontandemonstrationen in verschiedenen Städten, allein in Berlin mit mehren Tausend TeilnehmerInnen. Organisationen aus verschiedensten Spektren der sozialen Bewegungen haben gegen die Durchsuchungen protestiert.

Es ist völlig legitim und Teil des demokratischen Willensbildungsprozesses, Kritik am G8-Gipfel in Heiligendamm zu üben und Gegenprojekte zu planen! Die Durchsuchungen sind ein Paradebeispiel staatlicher Repression gegenüber AktivistInnen des Gipfelprotetsts. Einige der Betroffenen sind uns persönlich bekannt. Wir wissen und auch die Polizei weiß, dass es absurd ist, sie der Bildung einer terroristischen Vereinigung nach §129a StGB zu verdächtigen. Hier sollen offensichtlich systemkritische Meinungen an sich als Straftat dargestellt werden. Dies soll bei der Bevölkerung bewusst Ängste zu schüren, um einen repressiven Politikstil zu rechtfertigen.

Im Arsenal zur Bekämpfung widerständiger Bewegungen ist der Vorwurf der Bildung einer Terroristischen Vereinigung nach §129a in der BRD schon seit ihrem Bestehen gegen unterschiedlichste Bewegungen eingesetzt worden. Solche Ermittlungsverfahren geben den Verfolgungsbehörden weitgehend freie Hand und setzen fast alle bürgerlichen Rechte der Betroffenen außer Kraft. Dass es dabei im Wesentlichen um Repression und nicht um die Verfolgung von Straftaten geht, zeigt die Tatsache, dass es nur in 2 % aller Fälle tatsächlich zu einer Verurteilung kommt.

Eine kriegerische Politik nach außen führt unweigerlich auch zu einer Militarisierung nach innen. Wer Widerstand leistet gegen Krieg wird bekämpft von denen, die weiterhin mit kriegerischen Mitteln ungerechte Zustände aufrecht erhalten wollen. Nachdem die Empörung über Folterberichte im fernen Guantanamo der Gewöhnung gewichen war, wurde die Diskussion über die Nutzung von Foltergeständnissen auch bei uns wieder salonfähig. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, früher mal auf Katastrophenfälle beschränkt, ist im Zuge des G8-Gipfels in großem Maßstab geplant.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat angekündigt, während des Gipfels wieder Grenzkontrollen einzuführen. "Es gibt kein Grundrecht auf Ausreise," So hatte der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) schon 2001 in der Öffentlichkeit vernehmen lassen. Die Ausreiseverbote für GlobalisierungskritikerInnen - damals aus Anlass des Gipfels in Genua -wurden auf Grundlage von §7 Abs.2 Passgesetz vom Landeseinwohneramt erteilt. Ein Stempel in den Pass untersagt die Ausreise in bestimmte Länder. Verstöße können mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden. Schäuble, der bekanntlich massive Einschnitte in Grundrechte plant (Vorratsdatenspeicherung, Überwachung privater PCs ohne Durchsuchungsbefehl, usw.), scheint auch vor einer generellen Kriminalisierung kritischen Gedankenguts nicht zurück zu schrecken. Das staatliche Überwachungsarsenal, das die ganze Bevölkerung betrifft, reicht von Online-Durchsuchungen durch den Verfassungsschutz und die verdachtsunabhängige Erfassung von Daten bis hin zu Datenabgleichungen unterschiedliche Behörden mit Versicherungen und Banken. Die Biometrischen Daten auf dem Passbild sollen in naher Zukunft mit dem fläschendeckenden Netz der Videoüberwachung verknüpft werden. Die Liste ließe sich um Einiges ergänzen, dass nicht nur Datenschützer mit Sorge betrachten.

Diesmal werden die Einschüchterungsversuche jedoch vorraussichtlich eher eine positive Wirkung auf die Mobilisierung für die G8-Proteste haben. Schon die spontanen Kundgebungen haben das gezeigt. Der Gesamteinsatzleiter der G8 - Sondereinhet Kavala Knut Ambrowski sagt, werde er jegliche Blockade des Gipfels als terroristischen Akt begreifen und auch als solchen behandeln. Dies schließt offenbar Aktionen des Zivilen Ungehorsam, wie zum Beispiel Sitzblockaden, mit ein. Die Bewegung gegen den G8-Gipfel ist mittlerweile so breit, dass nach dieser Definition Tausende von Engagierten in den sozialen Bewegungen TerroristInnen wären. Wir fallen auf solche Spaltungsversuche nicht herein.

Der Hauptschwerpunkt unserer antimilitaristischen Arbeit ist die Verhinderung des Bombodroms. Hier hat der Aktionstag am 1. Juni im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel dem lokalen Widerstand schon jetzt in der Vorbereitungsphase eine internationale Resonanz beschert, auf die wir auch in Zukunft zurückgreifen können. "Von der Heide bis zum Strand" - mit diesem Motto des Bündnisses "No War - No G8" stellen wir den Zusammenhang her zwischen den geplanten Kriegsübungen in der Heide und denen, die über die nächsten Kriege entscheiden. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, eine in antimilitaristisches Rosa getauchte Zielpyramide vom Bombodrom nach Heiligendamm zu bringen.

Alle Menschen, die die Gegenaktivitäten zum Gipfel in Heiligendamm begrüßen, rufen wir auf: Machen wir deutlich, dass wir die weitere Einschränkung demokratischer Grundrechte nicht hinnehmen werden.

Wir wünschen allen Betroffenen viel Kraft und Mut, mit dieser Ausnahmesituation zurecht zu kommen.

Betroffen sind Einzelne, gemeint sind wir alle.

Bert Schilden und Ulrike Laubenthal
Sichelschmiede