2007-04-24 

Spurensuche in einem Gipfelland

2005 kamen die G8 in Schottland zusammen. Hatte das Treffen positive Folgen für Tourismus und Wirtschaft vor Ort? Eine Bilanz aus Gleneagles.

Perth and Kinross. Hinter einem unscheinbaren Tor aus hellem Sandstein beginnt die noble Welt von Gleneagles. Sorgfältig gemähte Grünflächen zum Golfspielen glänzen taufrisch in der Morgensonne, im Park reihen sich rund zurechtgestutzte Büsche aneinander, hier und da wachsen frech ein paar wilde Osterglocken. Vögel zwitschern, ansonsten herrscht auf dem Gelände des schottischen Fünfsterne-Hotels vornehme Stille. Das Knirschen der Schritte zweier Hotelgäste auf dem Kiesweg, die vom Hauptgebäude mit Sportausrüstung beladen in Richtung Tennisplatz schlendern, gleicht einer Ruhestörung.

An der Auffahrt zum Hotel stehen unbeflaggte Fahnenstangen. Wie anders muss sich das 350 Hektar große Gelände präsentiert haben, als hier während des G8-Gipfels vom 6. bis 8. Juli 2005 die Fahnen der Mitgliedsstaaten im Wind flatterten. Bewaffnete Polizisten mit Hunden auf dem gesamten Gelände, ein zwei Meter hoher und acht Kilometer langer Metallzaun rundherum, Kameraüberwachung, strenge Sicherheitskontrollen am Eingangstor.

Die Staats- und Regierungschefs der acht Länder sowie andere geladene Politiker und in ihrem Gefolge über 2000 Journalisten aus aller Welt bevölkerten in diesen Tagen die Hotelanlage. 11 000 Polizisten waren während des Gipfels rund um Gleneagles im Einsatz. Das Treffen kostete Großbritannien 90 Millionen Pfund (zirka 131 Millionen Euro), 60 Millionen Pfund (cirka 88 Millionen Euro) davon musste die schottische Regionalregierung aufbringen. Gut investiertes Geld, sagten die Politiker damals und versprachen der Bevölkerung langfristig einen Zuwachs bei Tourismus und Investitionen ausländischer Unternehmen.

Den Mecklenburgern und Vorpommern wird derzeit ähnliches verheißen. "Ein Land, das sich während des G8-Gipfels als moderner, leistungsorientierter und schöner Standort mit großer Lebensqualität darstellt, wird für Investoren und für Touristen zukünftig noch interessanter werden", versprach Ministerpräsident Harald Ringstorff zu Beginn dieses Jahres. In Schottland lassen sich solche Gipfelprophezeiungen überprüfen - schließlich liegt das Treffen der G8 dort nun schon mehr als anderthalb Jahre zurück.

Das Hotel Gleneagles kann 21 Monate nach dem Gipfel kein Umsatzplus verbuchen. Sicherlich, das Treffen sei ein großer Erfolg und Imagegewinn für das Hotel gewesen, erklärt Pressesprecher Stuart Smith. "Aber dass wir seitdem mehr Gäste oder mehr Anfragen von Geschäftsleuten für Tagungen hätten, kann ich nicht behaupten", sagt er.

Vom Sandsteinportal des Hotels sind es nur drei Kilometer bis ins Zentrum der Kleinstadt Auchterarder. An der Hauptstraße betreibt John West gemeinsam mit seiner Frau Margaret eine kleine Pension, das "Parsonage Guest House". Auch er hat nach dem Gipfel keine Belebung des Tourismus festgestellt. "Nein, bisher ist die Zahl der Buchungen bei uns nicht gestiegen", erzählt der 72-Jährige bei einem Vormittagstee in seinem Wohnzimmer. "Wir haben die Versprechungen im Vorfeld des G8-Gipfels auch nicht geglaubt", erinnert sich Margaret West.

Im Regal des hell eingerichteten Wohnzimmers stehen afrikanische Holzskulpturen neben Porzellannippes. 20 Jahre haben die Wests als Entwicklungshelfer in Afrika gearbeitet. Das Thema Entwicklungspolitik liege ihnen deshalb sehr am Herzen, sagt Margaret West. "Ich hätte es besser gefunden, wenn die 90 Millionen Pfund in Entwicklungshilfe investiert worden wären, anstatt in einen G8-Gipfel, bei dem nur über Afrika geredet wird, ohne dass etwas dabei herauskommt", meint sie.

30 Kilometer entfernt von Gleneagles in der 43 000-EinwohnerStadt Perth sitzt Vicki Miller in ihrem kleinen Büro der Tourismusorganisation "VisitScotland". Sie ist Regionalbeauftragte für Perth and Kinross, den Verwaltungsbezirk in dem auch Gleneagles liegt. Vicki Miller verbucht das G8-Treffen als Erfolg für die Region. "Der Gipfel war eine gute Sache für uns, weil er uns Selbstvertrauen gegeben hat. Jetzt wissen wir, dass wir so eine große Veranstaltung managen können", erzählt sie. Zudem hätten sich während des Gipfels gute Kontakte ergeben. "Wir haben mit der Politik viel enger zusammengearbeitet als sonst, das zahlt sich jetzt durch neue Kooperationen aus", sagt sie.

Die weltweite Berichterstattung über den Gipfel und somit auch über die Region sei ein weiterer Pluspunkt für Perth and Kinross gewesen. "Ein Expertenteam hat ausgerechnet, dass diese Medienabdeckung umgerechnet in Werbezeiten und Werbeflächen in Radio, Fernsehen und Zeitungen etwa 66 Millionen Pfund (96 Millionen Euro) wert war", sagt sie. Dass sich dies positiv auf die Touristenzahlen ausgewirkt hat, glaubt jedoch auch Vicki Miller nicht. Die Übernachtungszahlen seien zwar 2006 um vier Prozent gestiegen. "Ich führe das aber mehr auf unser Marketing zurück als auf das G8-Treffen", sagt die Managerin.

Investitionen ausländischer Unternehmen standen vor dem Gipfel ebenfalls auf der Versprechensliste der Politiker. Bei "Scottish Enterprise", der schottischen Wirtschaftsentwicklungsagentur sind jedoch bislang keine neuen Unternehmensansiedlungen bekannt. "Ich habe noch nicht von Firmen gehört, die durch den G8-Gipfel auf Schottland aufmerksam geworden sind", berichtet Jillian Moffat, bei "Scottish Enterprise" in Glasgow für Kundenbeziehung und Investment zuständig.

Vor und während des Gipfels habe sie mit ihrer Abteilung viel unternommen, um auf den Wirtschaftsstandort Schottland aufmerksam zu machen. "Wir haben zum Beispiel während des Gipfels Unternehmen der Region im Pressezentrum präsentiert", erzählt sie. Aber Investitionen, nein, die seien dabei nicht herausgesprungen. Im Tagungstourismus hingegen habe sich etwas getan. "Dieses Jahr finden in Schottland so viele Medizinerkongresse wie noch nie statt, das hängt vielleicht mit dem Gipfel zusammen", vermutet sie.

In Auchterarder schließt Alexa Dunlop wie an jedem Arbeitstag um 17 Uhr ihren kleinen Laden. Auf knapp zehn Quadratmetern verkauft die 41-Jährige Obst, Gemüse und Blumen. "Nein, es kommen nicht mehr Touristen als vor dem Gipfel", sagt sie, während sie vorsichtig Rharbarberstengel in eine Kiste legt. Aber die drei Gipfeltage im Juli seien eine spannende Zeit gewesen.

Besonders die Gipfelgegner, die am 6. Juli auf der Hauptstraße der Stadt demonstriert haben, hat Alexa Dunlop in guter Erinnerung. "Das waren lustige Leute. Sie hatten bunte Klamotten an und haben Musik gemacht - es war ein bißchen wie Karneval", erinnert sie sich. Auch der Umsatz sei an diesem Tag recht gut gewesen. "Den größten Verlust haben die Einzelhändler gemacht, die ihre Geschäfte aus Angst vor Krawallen geschlossen haben", sagt sie.

Afrika und Klimaschutz

Vom 6. bis 8. Juli 2005 haben sich die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten im schottischen Gleneagles getroffen. Hauptthemen des Gipfels waren Afrika und der Klimaschutz. Beschlossen wurde unter anderem, die Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2010 um 50 Milliarden US-Dollar (ca. 36 Milliarden Euro) anzuheben. G8-Gegner kritisierten, dass über eine solche Erhöhung bereits zuvor entschieden worden war. Zudem wurde die verstärkte Förderung erneuerbarer Energien beschlossen. Kritiker bedauerten, dass es nicht gelang, die USA zu einem deutlichen Bekenntnis zum Klimaschutz zu bewegen. Überschattet hatten den Gipfel Bombenanschläge islamischer Terroristen auf Londoner U-Bahnen und Busse am 7. Juli. Dabei starben 50 Menschen, über 700 wurden verletzt.

[http://www.nordkurier.de/g8/teil_2.php]