2007-04-23
«Warum Nazis gegen den G8-Gipfel sind und Globalisierungskritik nicht immer fortschrittlich ist», darüber will ein Papier [1] von der «No-G8-Gruppe Kiel» aufklären. Das Papier liefert aber eine bestenfalls halbgare Analyse der Nazi-Ideologie, denn ihr bürgerlicher Nährboden wird ausgeblendet. Wie die Nazi-Ideologie sich aus dem ganz normalen Mainstream-Nationalismus speist, bei dem sich auch einige opportunistische Linke bedienen, entgeht dem Papier komplett. Das bürgerliche Etikett «Globalisierungskritik» [2] findet die «No-G8-Gruppe Kiel» offenbar ganz unverdächtig. Und statt die Fehler der in den letzten Jahren gelaufenen sozialen Proteste zu benennen, will die «No-G8-Gruppe Kiel» durch Unwahrheiten diese Proteste als den Nazis nahestehend entlarven.
Neonazis als Teil der Anti-Hartz-Bewegung?
Das Ärgerlichste an dem Papier vorweg:
«Wenn Neonazis als Teil einer sozialen Bewegung in Deutschland auftreten und ihnen dabei großteils nicht widersprochen wird, sollte sich auch die globalisierungskritische Linke mit ihren eigenen Positionen neu auseinandersetzen.» [1]
Das Motto lautet: wenn einer Behauptung «großteils nicht widersprochen wird», muss etwas dran sein. Und so tut das Papier alles, um die Nazis als integralen Bestandteil der Anti-Hartz-Bewegung darzustellen.
Im «Sommer 2004 (hatten) die Neonazis vor allem in Ostdeutschland wenige Probleme sich an die neue Montagsdemobewegung gegen Sozialabbau & Hartz IV anzukoppeln.» [1]
Zum Beweis präsentiert das «norden-gegen-g8.info»-Pamphlet eine glatte Lüge: bei den Montagsdemos wären die Neonazis normalerweise dabei gewesen, und zwar
«teils ungestört, teils unter Polizeischutz und in einigen Orten von VeranstalterInnen geduldet.» [1]
Was die Großdemos z.B. in Berlin oder die Demos in Hamburg betrifft, ist das offenbar Unsinn. In Ostdeutschland hat es zwar zweifellos (Klein-)Demos gegeben, bei nichts gegen aufmarschierte Nazis unternommen wurde. Dort gab es aber noch mehr Montagsdemos, die sich gegen Nazis zur Wehr gesetzt haben. Dabei gerieten sie wiederholt mit Polizeikräften aneinander. Die Polizei hat z.B. in Magdeburg äußerst gewalttätig die Teilnahme der Nazibanden durchgesetzt, gegen den Widerstand der Anti-Hartz-Demonstrantinnen. [3]
Dieser «Polizeischutz» ist dem «norden-gegen-g8.info» immerhin eine Erwähnung wert. Allerdings sollte in diesem Zusammenhang dann auch thematisiert werden, warum sich die Staatsgewalt derartig viel Mühe gab, Nazis die Teilnahme an Montagsdemos zu ermöglichen. Die Rede ist von der staatlichen Denunziation gegen die «Rattenfänger» (M. Sommer, DGB), die "rechten und linken Extremisten" , denen die GegnerInnen der Hartz-Reformen angeblich auf den Leim gegangen wären.
An diesem Geschäft der Denunziation der Anti-Agenda-Proteste beteiligt sich «norden-gegen-g8.info»-Pamphlet. Und es unterstützt das Image, das die Nazis gerne über sich verbreiten: als Speerspitze von sozialem Widerstand. In diesen Kontext gehört auch folgende Behauptung:
«Bei diesen Sozialprotesten gab es zwar teilweise linke Beteiligung, doch linke bzw. linksradikale Argumentationen spielten in der Bewegung fast keine Rolle.» [1]
Die Großdemo am 01.11.2003 in Berlin war von einem breiten linken Spektrum organisiert. Sie war der Auftakt der Proteste, und erst durch sie sahen sich z.B. die nationalistischen Standort-Gewerkschaften genötigt, sich den Protesten anzuschließen und zu majorisieren, die Proteste in eine Petition an Schröder zu verwandeln - und letztlich abzuwürgen.
Ebenso indiskutabel sind die Passagen des Kieler Textes, bei denen so getan wird, als wäre es den Anti-Hartz-Demos nicht um Widerstand gegen die Arbeitsmarktreform der Schröder-Regierung gegangen, sondern um ein Ausländer-Raus-Programm:
«Mit scheinbar einfachen Lösungen für soziale Probleme konnten sich viele Menschen abfinden, durch die offenen Grenzen und den Zuzug von MigrantInnen würden Deutschen die Arbeitsplätze gestohlen, die Kriminalität steige und die Sozialsysteme seien überlastet.»[1]
Nun ist derartiger Gedankenmüll in der Bevölkerung durchaus verankert, weit über den Prozentsatz der NPD-Wähler hinaus. Aber den Anti-Hartz-Protesten das anzulasten, und speziell den Linken, die diese organisiert haben, das ist schlicht Propaganda der Gegenseite.
Nachhaltig klare Grenzen?
Das Papier der No-G8-Gruppe Kiel behauptet, die Nazis wollten «ihren eigenen Nutzen aus der linken Mobilisierung gegen den G8-Gipfel» ziehen, und deshalb müssten «radikale Trennungslinien gezogen und manchmal auch die eigene Theorie kritisch beäugt werden». Und dafür «muss die theoretische Grundlage der Nazis verstanden und widerlegt werden». Selbst diesem Anspruch kommt das Papier nur unzureichend nach.
Einerseits steht dort:
«Bei den Nazis wird in alter antisemitischer Manier zwischen dem guten, nationalen, "schaffenden" Kapital, welches dem Volk dient und es versorgt, sowie dem bösen, internationalen, "raffenden" Kapital, dessen "Drahtzieher" in "Kreisen der internationalen Hochfinanz" vor allem an der US-amerikanischen Ostküste zu suchen seien, unterschieden. Die USA werden als Hauptverantwortliche der Globalisierung gesehen, vor allem Deutschland sowie andere Staaten und deren "Völker" als Opfer dargestellt. Der Antikapitalismus (??) [4] der radikalen Rechten und damit die Motivation gegen den G8-Gipfel zu protestieren geht also von einer (jüdischen) Weltverschwörung aus, deren Ziel es sei die nationalen Volkswirtschaften zu zerstören und sich so zu bereichern.» [1]
Allerdings geht die Nazi-Ideologie weit über den Vorwurf der "Bereicherung" [8] hinaus. Bei der Globalisierung geht es angeblich vielmehr um den "Genozid an der weißen Rasse", und zwar durch "rassische Vermischung". Wenn Nazis von einer "Welt freier Völker" reden, meinen sie selbstverständlich nur die "arischen". Darin unterscheiden sie sich durchaus von den üblichen (links-)bürgerlichen Idealen eines "friedlichen Miteinander der Völker" in einer "globalisierten Welt". Denn bei den Nazis steht Rassenkrieg und Massenvernichtung auf dem Programm.
Diese durchaus bekannte Tatsache passt nicht ins Konzept der Argumentation des «norden-gegen-g8.info», da sie ja Gemeinsamkeiten zwischen Linken und Nazis entlarven wollen. Statt dessen unterstellen sie den Nazis einen Standpunkt, die diese gar nicht haben:
«Ähnlich wie bei den Neonazis wird auch hier» - d.h. bei Linken - «die Globalisierung als unsozial und zerstörerisch kritisiert, die G8-Staaten seien die Hauptverantwortlichen für die sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme der Welt.» [1]
Nichts davon ist typisch für Nazis.
* Die G8-Staaten sind in der Nazi-Ideologie zu bloßen "Marionetten der jüdischen Weltverschwörung" verkommen. Nazis wollen, dass diese Staaten "endlich wieder" die Macht übernehmen - unter ihrer Diktatur. In diesem Sinne sind Nazis in allen G8-Staaten tätig - und nicht nur dort.
* Überhaupt blendet das «norden-gegen-g8.info» aus, dass die Nazi-Szene längst keine innerdeutsche Angelegenheit mehr ist, sondern ein international agierendes Netzwerk gebildet hat. Zentren dieses Netzwerkes sind z.B. Russland, wo das Nazipack inzwischen gute Kontakte zu anderen nationalistischen oppositionellen Gruppen und Parteien unterhält. [5] Auch die USA ist in der Nazi-Ideologie keineswegs mehr der "Hauptfeind", sondern eine Operationsbasis, in der Nazi-Organisationen unter der Rubrik Meinungsfreiheit noch mehr Freiräume nutzen können als hierzulande. Anders gesagt: auch die USA ist in ihrem Wahn ein Opfer der globalen Weltverschwörung, und keineswegs der «Hauptverantwortliche der Globalisierung». [6]
* Und drittens gehen den Nazis «die sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme der Welt» komplett am Arsch vorbei, speziell wenn jene "Völker" davon betroffen sind, die sie sowieso zur Ausrottung vorgesehen haben.
Ausgeblendete Mitte
Bei ihrem Wunsch, jede Menge Gemeinsamkeiten zwischen Linken und den Nazis zu entdecken, ignoriert das «norden-gegen-g8.info» - und das ist der Grundfehler dieses Pamphlets - die Art und Weise, wie solche durchaus verwerflichen Gemeinsamkeiten zustande kommen. Sie basieren eben in der Regel nicht darauf, dass sich Linke irgendwelchen Unsinn ausdenken, der dann von den Nazis genutzt wird - oder gar umgekehrt. Vielmehr kommen sie zustande, wenn opportunistische Linke aus dem Pool an Gemeinsamkeiten schöpfen, den der bürgerliche Mainstream, eben der ganz normale Nationalismus, mit seinen rechtsradikalen Ausläufern hat. Das läßt sich z.B. an den Montagsdemos studieren.
* Auch dort wurde die "Forderung nach Arbeit" laut, insbesondere von DGB-nahen Gruppen. Die "Forderung nach Arbeitsplätzen" ist schon deswegen so daneben, weil vom ganzen bürgerlichen Spektrum den Erwerbslosen gar kein anderes Interesse zugestanden wird. In radikalisierten Form vertreten auch die Nazis diese "Forderung nach Arbeit": Eine Existenzberechtigung erwirbt überhaupt nur derjenige, der der Nation dient und seine Arbeitspflicht anerkennt. [9] Damit die deutschen "Volksgenossen" ihrer Arbeitspflicht nachkommen können, wollen Nazis, dass "deutsche Arbeitsplätze" exklusiv für "Deutsche" reserviert werden. Bei allen Unterschieden ist sich der bürgerliche Mainstream mit den Nazis z.B. darin einig, dass "Arbeitslosigkeit" mit allen Mitteln bekämpft werden muss - mit allen möglichen Zwangsmaßnahmen gegen die "Asozialen" unter den Erwerbslosen.
* Ebenso grundfalsch war die (vor allem im Osten und von der MLPD) bei den Montagsdemos verbreitete Parole: "das Volk sind wir". Gemeint haben die Vertreter dieser Parole zwar in der Regel nicht das "deutsche Volk", sondern wollten in Anlehnung an die Anti-DDR-Parole so etwas wie einen Gegensatz von "wir da unten" zur Regierung konstruieren. [10] Total daneben war diese Parole aber schon deswegen, weil Leute, die als Volk rumlaufen, allemal regiert werden wollen. Insofern trifft sich diese anti-emazipatorische Parole mit dem ganz normalen bürgerlichen Nationalismus: anständig regiert zu werden, das ist das erste Menschenrecht, das ein Volk zu fordern hat. Mit den Nazis sind sich die normalen Demokraten dabei nur in zwei wesentlichen Punkten uneinig: ob eine eine anständige Regierung demokratisch gewählt werden muss, und wer zweitens zum "Volk" dazu gehören darf...
Auch sogenannte "Globalisierungskritiker" schöpfen Parolen und Meinungen aus dem Fundus bürgerlicher Propaganda. Und einiges wird ihnen nichtmal dadurch suspekt, wenn dergleichen in das Weltbild der Nazis passt.
Das beginnt schon bei dem Modewort "Globalisierung", das täglich von den Medien heruntergebetet wird. Es steht für die Vorstellung, dass da ein Prozess in Gange gekommen sein soll, für den jene Staatsorgane nicht das geringste können, die für Außen- und Wirtschaftspolitik zuständig sind. "Globalisierung" sei ein Sachzwang, auf den sie nur mehr oder weniger ohnmächtig reagieren können, erklären Politiker aller Parteien. Dieses staatlich verbreitete Märchen namens "Globalisierung" passt den Nazis bestens ins Konzept. Erstens wissen sie die angeblich Schuldigen für "die Globalisierung" zu benennen. Und zweitens präsentieren sie sich als eine Kraft, die den angeblich so hilflosen Nationalstaaten wieder zu ganz großer Macht verhelfen möchte.
«Es ist aber historischer Fakt, dass die heutigen Nationalstaaten mit ihren politischen Institutionen, ihren Grenzen, Wirtschaftsgesetzen und Zöllen die Bedingungen und Säulen für den globalen Kapitalismus darstellen. Somit ist, vereinfacht gesagt, der Nationalstaat Vorraussetzung und nicht Feind der Globalisierung, er erhält die Grundlagen kapitalistischer Ausbeutung.» [1]
Hier hat die die «No-G8-Gruppe Kiel» recht. Aber dazu ist noch mehr zu sagen. Gerade die quantitative Ausweitung der globalen Finanz- und Warenkapitalströme war überhaupt nur möglich, weil die entscheidenden Weltmächte erfolgreich die erforderlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben: Investitionssicherheit durch Anerkennung von Patenten, Währungs- und Zollabkommen etc... Eben die mächtigsten Nationalstaaten versprachen und versprechen sich entscheidende Vorteile von der Ausweitung des internationalen Geschäfts. Und wenn es auf der anderen Seite manche Nationalstaaten gibt, für die "die Globalisierung" einen ziemlichen Machtverlust bedeutet, heißt es noch lange nicht, dass der Nationalstaat an sich dabei ruiniert würde.
"Fortschrittliche Globalisierungskritik"?
Dass «Globalisierungskritik nicht immer fortschrittlich ist», ist also eine Untertreibung. Kritisiert wird dabei ja nicht (in erster Linie) die radikalisierte Ausbeutung durch einen Kapitalismus, der schon immer international war. Sowohl bürgerliche KritikerInnen, als auch AnhängerInnen der sogenannten "Globalisierung" behaupten ja unisono, dass es sich dabei um ein qualitativ neues Phänomen handeln würde. Und beide argumentieren von einem lupenrein nationalistischen Standpunkt aus:
* Die Propagandisten der "Globalisierung" beschwören die Vorteile, die "wir" angeblich davon haben. "Unser Lebensstandard", den angeblich Kapitalanleger und Hartz IV-EmpfängerInnen gemeinsam haben, wird durch "die Globalisierung" gesichert. [7] Und weil in der Marktwirtschaft tatsächlich alles von einer erfolgreichen Kapitalakkumulation abhängt, werden durch "die Globalisierung unsere Arbeitsplätze" angeblich immer sicherer.
* Bürgerliche Globalisierungskritiker betonen demgegenüber die "Nachteile der Globalisierung" für die Nation, insbesondere wenn sie nicht ordentlich staatlich reguliert wird. Ihre Gegner bekommen von ihnen das dumme Etikett "neoliberal". Überhaupt steht "Neoliberalismus" für das Konzept eines "ungeregelten Kapitalismus", das in der Praxis kein Staat verfolgt, weil ein Kapitalismus ohne jede Menge Vorschriften, ohne Gesetze, ohne effiziente Justiz und staatliches Gewaltmonopol, ohne ein staatlich geregeltes Geld- und Kreditwesen, also ohne einen gewaltigen Staatsapparat niemals funktioniert. GlobalisierungskritikerInnen, die im "Neoliberalismus" den Hauptfeind der Menschheit sehen, haben sich einen Popanz aufgebaut, der von den tatsächlichen Interessen der G8-Staaten ablenkt. Den Nazis liefern sie damit eine Steilvorlage. In deren Wahn stecken hinter "dem Neoliberalismus" natürlich die üblichen Verdächtigen.
Aus dem Sumpf des ganz normalen Nationalismus schöpfen Linke wie Rechte noch mehr Bestandteile ihrer "Globalisierungskritik":
* Man macht sich Sorgen um die Staatshaushalte und macht Propaganda für eine effiziente Steuereintreibung beim globalen Kapital. [11]
* Einige Linke meinen, dass man die EU-Bürokratie ganz besonders kritisieren müsse, so als ob die lohnabhängigen Insassen der EU etwas davon hätten, wenn der Klassenkampf von Oben die exklusive Hoheitsaufgabe "ihrer" Nationalstaaten wäre.
* Dann werden von Linken auch noch "globale Rechte" gefordert, so als wären die nationalstaatlichen Gewaltmonopole, die dem Kapital seine globalen Rechte verschaffen, potentielle Schutzheilige des globalen Proletariats.
* Und im "Trikont" werden ganze Staaten zu von Linken bemitleideten "Globalisierungsopfern", so als würden sie sich nicht durchweg bemühen, dem Kapital optimale Verwertungsbedingungen zu schaffen. Ganze Völker sollen dort "unterdrückt" sein, als hätten die dortigen Eliten nicht längst ihr internationales Aktienportfolio und eine Staatsgewalt, die ihre Interessen schützt.
All das sind Beispiele dafür, wie nicht wenige Linke sich bei ihrer Globalisierungskritik beim ganz normalen Nationalismus bedienen. Gemeinsamkeiten mit Nazis sind dabei unvermeidlich.
Falsche Konsequenzen
An dem Geschäft, Gemeinsamkeiten zwischen irgendwelchen Linken und Nazis zu entdecken, um damit die Linke insgesamt zu denunzieren, sollte man sich nicht beteiligen. Moralische Standards, die sich aus derlei "Analysen" ergeben, bringen auch wenig. [12]
Was soll z.B. folgende Aussage der «No-G8-Gruppe Kiel»:
«Wer jedoch das Treffen der G8 für illegitim erklärt und kritisiert muss auch die Staaten an sich für illegitim erklären und somit die globale Herrschaftsfrage stellen. Denn gegen ein informelles Treffen verbündeter Staaten zu sein und auf der anderen Seite deren "offizielle" Treffen im Rahmen der EU, UN oder Welthandelsorganisation nicht zu kritisieren halten wir für fragwürdig.» [1]
Wer, bitteschön, erklärt denn einerseits das Treffen der G8 für «illegitim», und hält andererseits die WTO und die EU für nicht kritikabel? Verlangt die «No-G8-Gruppe Kiel», dass man alle Staaten in einen Topf zu werfen hat, ohne zu unterscheiden, welche Differenzen zwischen den Weltmächten untereinander, und gegenüber anderen Staaten existieren? [13] Soll das heißen, dass wer Deutschland und die USA kritisiert, gefälligst auch Kuba und Venezuela zu kritisieren hat?
Und was soll folgender Hinweis:
«Auch muss hinterfragt werden, ob die in Teilen der Linken auftretende Unterstützung bestimmter nationaler Befreiungsbewegungen heute noch vereinbar mit aktuellen politischen Diskussionen ist...» [1]
Welche «bestimmten nationalen Befreiungsbewegungen»? Sind maoistische Rebellen in Nepal ungefähr das selbe wie die UCK oder die HAMAS? Und wer in der Linken unterstützt den überhaupt noch irgendeine «Befreiungsbewegung»? Ist es nicht vielmehr so, dass es inzwischen jede Menge (Ex-)Linke gibt, die den "Krieg gegen den Terror" als eine Art antifaschistischen Kampf darstellen?
Fußnoten
[1] No-G8-Gruppe Kiel: Hauptsache dagegen?, in: Zeck - das Kravallblatt aus der Flora (Hamburg) Nr. 137 (März/April 07), S. 6. Im Internet: www.gipfelsoli.org/Texte/Rechte_Globalisierungskritik/870.html
[2] Politiker und Medien predigen täglich, dass es sich bei "der Globalisierung" um einen Prozess handeln würde, der höchstens durch einen "Rückfall in nationale Kleinstaaterei" gestoppt werden könnte. Eben das wird mit dem Etikett "Globalisierungsgegner" auch den Kritikern der kapitalistischen Weltordnung unterstellt. Wer sich selber dieses Etikett anklebt, sollte sich darüber nicht wundern. Schließlich ist "Globalisierung" eine höchst einseitige Sichtweise der jetzigen Weltordnung. Es wird festgehalten, dass sich die internationalen Ströme an Waren- und Finanzkapital in den letzten Jahren ständig vermehrt haben, aber der Grund dafür wird ignoriert. Dabei ist diese Entwicklung nichts als ein Aspekt in der Konkurrenz der maßgeblichen Nationalstaaten: weil die militärische Machtfrage zu Gunsten der letzten Supermacht geklärt ist, konzentrieren sich die imperialistischen Mächte auf die ökonomische Konkurrenz - gegenüber den USA und untereinander, im Rahmen der kapitalistischen Weltordnung, die von den USA und ihren Verbündeten im Kalten Krieg durchgesetzt wurde.
[3] Eine Zusammenfassung von Nazi-Angriffen auf Montagsdemos findet sich z.B. unter www.ostblog.de/2004/10/nazis_auf_montagsdemos_eine_ch.php
[4] Ein gewisses "antikapitalistisches Image" war schon der NSDAP recht. An die Macht gekommen, räumten die Nazis mit diesem Mißverständnis auf und veranstalteten eine Säuberung in den eigenen Reihen. Ihre Politik ließ danach keine Wünsche des (arisierten) Kapitals offen. Nazi-Ideologen haben übrigens immer wieder betont, dass die "Marktwirtschaft" ihrem Darwinistischen Menschenbild entspricht: in der Konkurrenz setzt sich der Stärkere durch, und der Schwächere bleibt auf der Strecke. Dieses in ihren Augen so vorzügliche System wird von "den Juden" gleich doppelt "untergraben": als internationale "Wucherer" ruinieren sie das "schaffende" Kapital, und durch die Kontrolle über die Gewerkschaften organisieren sie ruinöse Arbeitskämpfe. So sahen die Nazis "den Juden" sowohl im internationalen Finanzkapital als auch im Bolschewismus am Werk als "jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung". Es ist komplett falsch, wenn das Kieler Papier behauptet, dass im Nazi-Staat «die Wirtschaft verstaatlicht werden» soll. Die IG-Farben, z.B. waren genauso wenig verstaatlicht wie all die anderen Firmen, die mit Zwangsarbeit und Vernichtungskrieg ihre Profite gemacht haben. Der angebliche "Antikapitalismus" der Nazis ist eine Propagandalüge aus dem Kalten Krieg: Um den deutschen Kapitalismus zu restaurieren, wurden im Westen Hitlers willfährige Kapitalisten als Nazi-Opfer dargestellt und die Nazis als Sozialisten umlackiert. Braun=Rot war die Quintessenz der Anti-Totalitarismus-Theorie, die in Deutschland eine Art Staatsreligion wurde.
[5] Es liegt schon eine gewisse Ironie darin, dass der ehemals "russische Untermensch" in der modernen Nazi-Ideologie zum Arier avanciert ist. Regelrecht bizarr mutet es an, dass nach den vielen Millionen durch das NS-Regime ermordeten Russen sich auch dort die Nazi-Ideologie breitmacht. Die Anpassungsfähigkeit des Gedankenmülls der Nazis sollte also keinesfalls unterschätzt werden!
[6] Seit Deutschland zur dominierenden Macht in Europa wurde und sich die "Bolschewistenfrage" erledigt hat, nehmen Nazi-Pläne für ein "Arisches Weltreich" neue Pläne an. Es soll Europa, Nordamerika und Nordasien umfassen.
[7] Hierher gehört auch die Ideologie vom "Vorteil", den die Lohnabhängigen in Europa angeblich von der Ausbeutung der "3. Welt" haben. Demnach erzielt das Kapital eigentlich gar keine Profite in den "Metropolen", sondern nur im "Trikont". Aus unerfindlichen Gründen werden diese Profite verwendet, um mit "hohen" Löhnen das "Proletariat in den Metropolen" zu "bestechen". Mit dieser Ideologie haben Linke schon seit den 30er-Jahren ihre eigenen Mißerfolge erklärt und entschuldigt, und nebenbei haben sie dabei den Imperialismus als eine Volksgemeinschaft verklärt. Weil nach dieser Ideologie die BewohnerInnen der Armutsregionen im Süden quasi die Löhne in den "Metropolen" erwirtschaften, müßten sie demnach jede Menge Vorteile aus den seit Jahren in Europa und Nordamerika sinkenden Lohneinkommen ziehen. Tatsächlich resultiert der (sich angleichende) Unterschied zwischen den Lohneinkommen schlicht daraus, dass für überschüssiges Proletariat nur die nackte Armut vorgesehen ist.
[8] Auch Linke werfen Kapitalanlegern "Bereicherung" - also mangelnde Verzichtsbereitschaft - vor. Den Vorwurf sollte man sich angesichts der dummen Verzichtsbereitschaft der lohnabhängigen Klasse sparen. Kritikabel in doch nicht, dass da Leute auf ein angenehmes Leben wert legen, sondern dass dieses Ziel im kapitalistischen System nur durch Massenarmut und Zerstörung der Lebensgrundlagen verwirklicht werden kann!
[9] "Arbeitsplätze statt Kriegseinsätze" ist eine Nazi-Parole. An den Kriegseinsätzen bemängeln die FanatikerInnen des Rassenkriegs, dass sie angeblich nicht im nationalen Nutzen wären.
[10] Die ausgrenzende Bedeutung des Begriffs "Volk" sollte da gegen Kapitalisten und Manager gewendet werden. Damit machten sich jede MontangsdemonstrantInnen allerding gemein mit der Sorte Volk, die Unternehmer für Arbeitgeber hält und sich aus der BILD-Zeitung täglich ihre nationalistische Gesinnung abholt.
[11] Die ATTAC-Idee der "Tobinsteuer" gehört in diese Rubrik. Demnach würden die Nationalstaaten der bedürftigen Menschheit nur deswegen keine sozialen Wohltaten zukommen lassen, weil ihnen die Steuereinnahmen fehlen. Tatsächlich kommen gerade die erfolgreichen Nationalstaaten eher auf die Idee, sich vom weltweit akkumulierenden Kapital Geld zu leihen und Zinsen zu zahlen, statt durch Steuern jene Geldzettel einzusammeln, die sie selber gedruckt haben. Einen erfolgreichen Kapitalstandort schafft ein Staat eben nicht dadurch, dass er die Akkumulation des Kapitals durch Steuern einschränkt.
[12] «Eine globalisierungskritische Bewegung die den Anspruch hat wirklich etwas zu verändern, muss neben den alltäglichen Kämpfen innerhalb des kapitalistischen Wahns auch und vor allem eine auf die Auflösung von Herrschaftsstrukturen an sich gezielte Politik betreiben.» [1] Was bitte soll denn unter «Herrschaftsstrukturen an sich» verstanden werden? Wenn jemand bei Diskussionen andere nicht zu Wort kommen lässt? Die "Dominanz der Männer" in linken Gruppen? Die staatliche Herrschaft in Südkorea?
[13] Die aktuelle Weltordnung wurde im Kalten Krieg von den USA und ihren Verbündeten durchgesetzt. Die im Zuge der Entkolonialisierung entstandenen Nationalstaaten sind Kreaturen dieses Weltordnung. Sie haben darin ausschließlich eine Existenzberechtigung: sie haben mit ihrer Gewalt dafür zu sorgen, dass ihr Territorium gute und sichere Geschäfte ermöglicht.
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