2001-06-18 

Neue Datenbank erfasst "Gewalttouristen"

Mit Blick auf Genua: Bundes- und Landeskriminalämter arbeiten eng zusammen

Angesichts einer Welle linksextremer Gewalt im Zusammenhang mit Globalisierungs-Gipfeln bauen deutsche Sicherheitsbehörden eine bundesweite Gewalttäterdatei auf. Damit sollen "Krawall-Touristen" möglichst schon am Grenzübertritt gehindert werden.

Am Freitag beginnt in Genua der G-8-Gipfel der sieben führenden Industrieländer und Russlands statt, zu der rund 100.000 Demonstranten erwartet werden. Die Behörden rechnen dabei mit erneuten Krawallen.
Seit Anfang Juli werden Datenbänke zusammengetragen, die die Bereiche Linksextremismus, Rechtsextremismus und Ausländerextremismus umfassen, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums am Dienstag auf Aufrage. Damit wird ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom November vergangenen Jahres jetzt in die Tat umzusetzen. Das Bundeskriminalamt wollte zu der neuen Gewalttäter-Datei am Dienstag keine Auskunft geben.
Vergangene Woche hatte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) mit Blick auf den Genua-Gipfel angekündigt, alle operative Maßnahmen zur Abwehr gewalttätiger Globalisierungsgegnern nutzen. Auf einer Sondersitzung der EU-Innenminister in Berlin waren allerdings auch von Deutschland unterstützte Vorstöße, eine europaweite Datenbank einzurichten, am Widerstand einzelner Länder, darunter Belgien, gescheitert.
Die künftige deutsche Datei gründete auf eine bundesweite Datenbank, in der bislang rund 2000 Täter zusammengefasst sind, die Landfriedensbruch begangen haben. Dabei handelt es sich zumeist um Teilnehmer an gewalttätigen Demonstrationen. Diese Datenbank im polizeilichen System Inpol wurde 1992 gestartet. Darüber hinaus ist seit Anfang Juli bei allen neu aufgefallenen politisch motivierten Straftätern zu entscheiden, ob deren personenbezogene Daten ebenfalls in der Datei registriert werden. Dieses Verfahren wurde Ende Juni zwischen Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern, dem Bundesgrenzschutz und dem Generalbundesanwalt vereinbart. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte: "Nachdem sich die Innenminister der EU-Staaten jüngst in Brüssel nicht auf eine europaweite einheitliche Datei gegen Krawalltouristen einigen konnten, ist jetzt wenigstens ein bundesweiter Anfang gemacht."
Zugleich hat die bayerische Polizei wegen des G8-Gipfels in Genua verstärkte Kontrollen an Durchgangsstraßen Richtung Österreich angekündigt. Auch der Bundesgrenzschutz hatte schon zuvor mitgeteilt, dass - im Zusammenhang auch mit der Weltklimakonferenz in Bonn - bis zum 27. Juli die Grenzen zu den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich verstärkt überwacht würden. Überwacht werden alle grenzüberschreitenden Züge sowie Flugreisende an den Flughäfen München und Stuttgart in Richtung Italien und zum Teil auch Straßen.
In bayerischen Sicherheitskreisen wird darauf hingewiesen, dass die Gewaltbereitschaft des Linksextremismus in der lange Zeit zu wenig beachtet worden sei. Doch sowohl die jährlichen Krawalle zum 1. Mai in Berlin wie auch Ausschreitungen am Rande des Castor-Transporte und zuletzt bei den Globalisierungs-Gipfeln und Treffen von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) hätten gezeigt, dass aus diesem Spektrum nach wie vor große Gefahren für die öffentliche Ordnung entstünden.
Nach Schätzungen werden sich mindestens 1000 Demonstranten aus Deutschland an den Demonstrationen in Genua beteiligen. "Attac", ein Netzwerk "zur demokratischen Kontrolle der internationalen Finanzmärkte", ruft im Internet dazu auf, gegen die "wachsende Ungleichheit in der Welt" zu protestieren. Neben friedlichen Demonstrationen rechnen die Behörden aber trotz der Grenzkontrollen auch mit massiven Ausschreitungen.

[http://www.welt.de/print-welt/article463826/Neue_Datenbank_erfasst_Gewalttouristen.html]