2007-03-24
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, erwartet heftige Proteste gegen den G8-Gipfel im Juni in Heiligendamm, aber keine schwerwiegenden Anschläge. Ein Interview über Erkenntnisse und Schlussfolgerungen.
In einem Vierteljahr treffen sich die Regierungschefs der führenden Industrienationen beim G8-Gipfel im Ostseebad Heiligendamm. Wie schätzen die Sicherheitsbehörden die Gefahrensituation für das Treffen ein?
Es gibt bisher keine Anhaltspunkte für einen möglichen Anschlag. Allerdings ist mit Protestaktionen zu rechnen. Man erwartet bis zu 50 000 Menschen bei der geplanten Demonstration in Rostock.
Die Demonstration und der geplante Gegengipfel in Rostock sind ja friedliche Proteste.
Grundsätzlich ja. Bei früheren Gipfelereignissen allerdings wurde auch aus friedlichen Demonstrationen heraus Gewalt ausgeübt, denken Sie an die Ereignisse in Genua im Jahr 2001. Deshalb müssen derartige Dinge einkalkuliert werden.
Viel mehr Sorgen müssten Ihrer Behörde doch aber jene Gruppen bereiten, die offen zu Gewalt aufrufen und bereits Anschläge verübten.
Es gibt die sogenannte “militante Begleitkampagne” zum G8-Gipfel, die uns - auch wenn sich die Aktionen bislang nur gegen Sachen richten - in der Tat erhebliche Sorgen macht. Mit diesen Anschlägen soll mobilisiert werden, man will auf das Thema aufmerksam machen und Entschlossenheit demonstrieren. Wir müssen uns darauf einstellen, dass es derartige Aktionen auch weiter geben wird und dass sie hinsichtlich der Anzahl und der zeitlichen Taktung sogar noch zunehmen können. Wobei die Ziele nicht so eindeutig identifizierbar sind, dass lückenlose Schutzmaßnahmen möglich wären.
Was sind das für Ziele?
Das sind Objekte, also z. B. Fahrzeuge und Gebäude, die zu Personen und Firmen gehören, die irgendwie mit dem Thema Globalisierung in Verbindung gebracht werden. Das begann bereits im Jahr 2005 mit dem Anschlag auf das Auto des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie AG. Inzwischen haben wir 18 vergleichbare Brandanschläge mit zum Teil erheblichen Sachschäden registriert. Dabei ist nie ganz auszuschließen, dass nicht doch Menschen zu Schaden kommen, auch wenn dies nicht beabsichtigt ist. Die Täter versuchen offenbar, das zu vermeiden, weil sie befürchten, dass ihr Anliegen damit diskreditiert würde.
Also ist die Rückkehr zum bewaffneten Kampf mit gezielten Anschläge auf Personen kein Thema in der linksextremistischen Szene?
Im Moment ist das nicht erkennbar. Wir haben seit einigen Jahren eine Diskussion in der Szene, angestoßen von der “militanten gruppe”, ob es nicht an der Zeit wäre, wieder gegen - wie sie sagen - “verantwortliche Personen” vorzugehen. Das wird aber nach unserer Einschätzung von der Mehrheit derer, die an dieser Diskussion teilnimmt, abgelehnt.
Warum?
Das ist eine taktische Position. Es wäre offensichtlich nicht mit positiver Resonanz im Umfeld zu rechnen. Außerdem, und das spielt natürlich auch eine Rolle, fürchtet man den erhöhten staatlichen Verfolgungsdruck, den solche Aktionen nach sich ziehen würden.
In der Vorbereitung der G8-Proteste engagiert sich ja auch die Linkspartei, die vom Verfassungsschutz seit Jahren beobachtet wird. Hat ihre Behörde Hinweise auf Kontakte der Partei zu radikalen Gipfelgegnern?
Das konnten wir bislang nicht erkennen. Es hat in der Vergangenheit allerdings immer mal wieder Äußerungen von einzelnen Personen aus der Linkspartei gegeben, aus der eine gewisse Nähe oder Verständnis für militante Aktionen und Akteure deutlich geworden ist, insbesondere wenn es um das Thema “Antifaschismus” ging.
Was auch ein Grund ist für die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz?
Das ist richtig. Seit Jahren haben wir in unseren Verfassungsschutzberichten dargelegt, dass bei der Linkspartei.PDS tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen vorliegen. Die Partei bietet insgesamt ein ambivalentes Bild. Das geltende Parteiprogramm von 2003 spricht von “Überwindung der Macht- und Eigentumsverhältnisse”. Wir registrieren gelegentlich Äußerungen von einzelnen, in denen eine gewisse Sympathie für gewaltbereite Autonome zum Ausdruck gebracht wird. Zudem gibt es Kontakte zu ausländischen kommunistischen Parteien und Organisationen. Und nicht zuletzt existieren die in der Partei integrierten - wie wir sie nennen - “extremistischen Zusammenschlüsse”: die Kommunistische Plattform, das Marxistische Forum und ähnliche Gruppierungen, die von der Parteispitze nicht nur geduldet, sondern auch als akzeptierter Bestandteil der Partei angesehen werden.
Einzelne Abgeordnete der Linkspartei wie Gregor Gysi und Bodo Ramelow kritisieren, dass ihre Mandatsausübung durch die Beobachtung des Verfassungsschutzes behindert wird, weil sich manche Bürger dadurch davon abhalten lassen könnten, den Kontakt zu ihnen zu suchen.
Eine Behinderung der Mandatsausübung kann ich nicht erkennen. Im Übrigen: Wie soll ich den Vorwurf hinsichtlich des Wählerverhaltens widerlegen? Würde ich konfrontativ argumentieren, könnte ich sagen: Sie haben es selbst in der Hand. Prüfen Sie die Aussagen im Parteiprogramm und trennen oder distanzieren Sie sich von den Extremisten in der Partei.
Am Wochenende stellen Linkspartei und WASG auf ihren Parteitagen die Weichen für eine gemeinsame neue Partei. Wird sich durch die Vereinigung das linksextremistische Milieu in der neuen Linkspartei verstärken?
Dafür gibt es keine Belege. Wobei ich sagen muss, dass die WASG kein Beobachtungsobjekt ist. Aber wir befassen uns mit einigen trotzkistischen Kleingruppierungen, die in der Vergangenheit versucht haben, in der WASG Fuß zu fassen. Das scheint regional und in Einzelfällen auch gelungen zu sein und das könnte nach einer Vereinigung ein Problem für die Partei werden.
[http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/politik/639849.html]