2007-03-22
Ein Zerstörer und ein Kreuzer aus den USA werden zum G8-Gipfel in der Ostsee vor Heiligendamm liegen.
Rostock/Berlin (OZ) Kriegsschiffe der U.S. Navy werden zum G8-Gipfel im Juni in der Ostsee kreuzen und Heiligendamm bewachen. Die Protection Teams (Schutz-Teams) des US-Präsidenten, so verlautet aus deutschen Sicherheitskreisen, legen großen Wert auf eine schiffsgestützte Luftabwehr.
„Es wird eine seeseitige Absicherung geben, in die die Amerikaner eingebunden sind“, sagt ein Fregattenkapitän des Wehrbereichskommandos Nord in Kiel. Bis Juni werden zwei US-Kriegsschiffe in die Ostsee verlegt. In Offizierskreisen ist die Rede von einem Kreuzer der „Ticonderoga-Klasse“, der 2006 zur Bush-Visite in deutschen Hoheitsgewässern kreuzte, und einem Zerstörer der „Arleigh-Burke-Klasse“. Beide Schiffe nehmen nach Angaben der Deutschen Marine am internationalen Manöver „Baltops“ teil, das nahezu zeitgleich mit dem Gipfel in der Ostsee stattfindet.
Mit dem AEGIS-Lenkwaffen-Kreuzer „Ticonderoga“ verfügt die U. S. Marine über das derzeit modernste Waffensystem der Welt. Diese Schiffe können gleichzeitig mehrere Luftziele, Über- und Unterwasserziele erfassen, überwachen und bekämpfen.
Beide Schiffstypen sind mit 170 bzw. 197 Metern (Ticonderoga) Länge und je knapp 370 Mann Besatzung größer als deutsche Fregatten (140 Meter). Sie sind zur Flugabwehr und Seeraumüberwachung ausgerüstet. Dazu gehört das hochmoderne Warn- und Feuerleitsystem Aegis (Airborne Early Warning Ground Environment Integration Segment). Es erledigt sämtliche Aufgaben von der Auffassung bis zur Bekämpfung eines Ziels. Das Radar kann 100 Ziele zeitgleich übernehmen. Es hat eine Reichweite von 200 Seemeilen (ca. 370 km). Zur Ausrüstung der Schiffe gehören zudem Flugkörper, Lenkwaffen, Sikorsky-Seahawk Helikopter, Sonar und Systeme zur elektronischen Kampfführung mit Störsendern.
Für den absoluten Notfall – ein Unfall des Präsidenten – steht ein hochmodernes Lazarett an Bord beider Kriegsschiffe bereit.
Bestätigen will die Planungen der U. S. Navy niemand. Axel Falkenberg, Sprecher der Besonderen Aufbauorganisation Kavala der Polizei in Waldeck, für die Sicherheit beim Gipfel zuständig, sagt: „Wir äußern uns generell nicht zum Sicherheitskonzept.“
Als unwahrscheinlich gilt, dass Russland, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Italien oder Japan Marinekräfte entsenden. Ein Fregattenkapitän des Wehrbereichskommandos in Schwerin meint: „Das gibt die Sicherheitslage nicht her.“ Sinn des Gipfels sei es ja nicht, dass jedes Land hier mit dicken Marinepötten rumprotze.
Vorige Woche war Lorenz Caffier (CDU), Innenminister von MV, zum Gespräch bei Vizeadmiral Hans-Joachim Stricker, dem Befehlshaber der Marine in Glücksburg. Dort ging es um die Beteiligung der Marine bei G8. Offiziell heißt es aus Schwerin: Details des Gesprächs seien geheim.
Diese Linie wird eisern durchgehalten – bis hin zur Bundesregierung. Bekannt ist, dass Taucher der U. S. Navy die Küste vor Heiligendamm sichern sollen. Ein Sprecher der Streitkräftebasis im Verteidigungsministerium, der nicht genannt werden möchte, sagt: „Die Bundeswehr wird keine polizeilichen Aufgaben, sondern nur Hilfe im Sanitätsbereich und in der Logistik leisten.“ Das hieße, deutsche Marineschiffe bleiben außen vor. An anderer Stelle in der Bundeswehr – die ebenfalls anonym bleiben möchte – heißt es, zur Zeit werde geprüft, in welchen Bereichen die Truppe ihre Fähigkeiten einbringen könne. Also auch Taucher und andere Spezialisten.
Der Sprecher im Verteidigungsministerium bestätigt, dass die Bundeswehr Unterkünfte für ausländische Einsatzkräfte zur Verfügung stellen wird. Zum Beispiel im Rostocker Marinestützpunkt Hohe Düne.
[http://www.ostsee-zeitung.de/archiv/index.phtml?Param=DB-Artikel&ID=2639163]
Rede auf der Kundgebung vor der Kasernenanlage Hohe Düne in Rostock, Ostermarsch 2006, 15.4.06
Liebe Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer,
Cornelia Mannewitz (in Rostock)
wer heute mit der Fähre zu uns gekommen ist, der hat von Hohe Düne als erstes Folgendes gesehen:
die Yachthafenresidenz Hohe Düne mit Kongresszentrum, Boutiquen, Bars, Restaurants und Fünf-Sterne-Hotel und natürlich Yachthafen mit Internetzugang am Bootssteg, Brötchenservice und Shuttle zu Bahnhof und Flughafen, neuerdings auch ein Anziehungspunkt für die Hanse Sail,
die Anfänge des Wohnparks Hohe Düne mit fast 700 Wohnungen in 1-A-Lage am Wasser.
Diese auch sehr (wie man sagt) hochwertigen, auch touristisch bedeutsamen zivilen Einrichtungen lassen manchmal vergessen, dass wir uns hier und im Umkreis an einem wichtigen Standort der Bundeswehr befinden.
1.100 Soldaten sind in Hohe Düne stationiert. Die Fläche des Stützpunktes beträgt 248 Hektar an Land (hier stehen 92 Gebäude) und 86 Hektar Hafen (hier liegen zur Zeit zwei Tender, zehn Schnellboote, bestückt mit Flugkörpern, – die deutsche Schnellbootflottille – und ein Ölauffangschiff).
Das ist natürlich nur ein Teil der Marine. Die deutsche Marine hat 14 Fregatten, 20 Minensuchboote, außerdem Schnellboote, U-Boote, Versorger, schwimmende und fliegende Einheiten. Mehr als 20.000 Soldaten gehören zur Marine.
Nach Auffassung der Flottenführung ist die Marine trotz knapper Kassen für die Zukunft gut aufgestellt, auch im internationalen Vergleich. Allerdings transformiert sie sich. In den nächsten Jahren werden Einheiten verlagert und Standorte umgebaut. Der Standort Rostock und Hohe Düne soll dabei noch wichtiger werden. Der ehemalige Inspekteur der Marine sagte dazu: “Hohe Düne ist eine Perle unter unseren Stützpunkten und für die Marine so wichtig wie Kiel und Wilhelmshaven.” [OZ vom 27.2.06, S. 3] Allein seit 2000 wurden in Hohe Düne 40 Millionen Euro investiert.
Die Versorgung und Ausrüstung aller ca. 90 Kampfschiffe und Boote der deutschen Marine besorgt der Logistikbereich des Marineamtes. Dieses wurde vor wenigen Jahren verlegt – nach Rostock. Damit wird auch die Ausbildung der Marinesoldaten und die gesamte Infrastruktur der Marine von Rostock aus verwaltet. Bis 2010 sollen auch Teile des Stabes der Flotte aus Bremerhaven nach Rostock kommen. Rostock wird also ein immer wichtigeres Führungszentrum für die Marine.
Insgesamt will die Marine in den Ausbau ihrer Standorte in Mecklenburg-Vorpommern bis 2011 noch einmal 41 Millionen Euro investieren. Davon entfallen 36 Millionen auf Rostock, genauer: auf den Marinestützpunkt Hohe Düne. Bis 2008 werden hier fünf Korvetten stationiert. Dazu müssen unter anderem der Stützpunkt verbreitert, Brücken gebaut und der Hafen ausgebaggert werden. Hohe Düne wird dann der modernste Marinestützpunkt Deutschlands sein. Fast schon keine Rolle spielt da der Preis für eine Korvette: 240 Millionen Euro. Eine Korvette hat außerdem 65 Mann Besatzung und braucht weiteres Personal für Wartung und Versorgung.
Dieser Tage wurde anlässlich des Befehlshaberwechsels in der Flotte von einem noch weiteren Ausbau des Marinehafens Rostock-Warnemünde gesprochen. Möglicherweise wird die sogenannte Rüstungsflotte hier stationiert (das sind Sicherungsboote für das Schießgebiet der Marine in der Hohwachter Bucht vor Schleswig-Holstein). Dazu kämen weitere Marineschutzkräfte zur Objektsicherung.
Das alles bedeutet auch einen weiteren Ausbau der Marine als Wirtschaftsfaktor für die Region. Allein die Werften des Landes haben 2005 Aufträge für Überholung und Neubau von Kriegsschiffen im Umfang von 21 Millionen Euro erfüllt. Dass damit die wirtschaftliche Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern noch enger zusammenhängt mit der Entwicklung der Instrumente militärischer Macht, kann uns als Friedensbündnis nicht gleichgültig sein.
Mit ebensolcher Besorgnis sehen wir Schiffe und Mannschaften von Hohe Düne bei Auslandseinsätzen:
Auslandseinsätze gehören inzwischen auch für die Marine zum Alltag. Man begründet das unter anderem mit der terroristischen Bedrohung, zum Beispiel für deutsche Rohstoffimporte, die über See kommen. Eine bekannte Argumentation. Was ist alles möglich? Es geht natürlich auch um die Begleitung militärischer Aktionen. Militärische Aktivitäten auf dem Wasser finden heute nicht mehr als Seeschlachten statt. Seit Anfang der 90er Jahre haben Kriegsschiffe Begleitschutzaufgaben, oder sie unterstützen militärische Aktionen an Land von See aus, in “entfernten Randmeeren” (so die Bundeswehr-Terminologie). 2002-2003 haben Schnellboote aus Hohe Düne mit Aufgaben der Seeraumüberwachung an der Operation Enduring Freedom im Golf von Aden am Horn von Afrika teilgenommen, 2003-2004 an der Operation Strait of Gibraltar am Eingang zum Mittelmeer. Ab Dezember 2006 werden vier Schiffe aus Hohe Düne wieder zu “Identifikation, Überwachung und Aufklärung” am Horn von Afrika eingesetzt sein. Sie übernehmen die Führung des dortigen multinationalen Verbandes.
Und: Laut Presseberichten forderte der scheidende Chef der Flotte ein Seesicherheitsgesetz. Ein solches Gesetz sollte es der Marine erlauben, zur Gefahrenabwehr präventiv tätig zu werden. Einen Einsatz der Marine gemäß einem solchen Gesetz halte er auch für sinnvoll – und auch das geht uns in Rostock unmittelbar an – zum Beispiel 2007 zum G-8-Gipfel im Ostseebad Heiligendamm [NNN vom 13./14.4.06, S. 1].
Hohe Düne hat seit 1913 auch ein militärisches Gesicht. Es war zunächst Seefliegerhorst. Hier fanden auch Flugwettbewerbe statt.
Während des Ersten Weltkriegs wurde der Flughafen ausgebaut. Auf dem Stützpunkt Hohe Düne war ein Seeflugversuchskommando stationiert, das neue Flugzeuge, Waffen und Ausrüstungen zu testen hatte.
Nach dem Ersten Weltkrieg führte eine Fluglinie Berlin – Warnemünde – Kopenhagen – Stockholm über Hohe Düne.
1922 mietete der Flugzeugkonstrukteur Ernst Heinkel eine Flugzeughalle und begann mit dem Bau von Flugzeugen; er blieb dort bis 1934. Später siedelte sich auch Arado hier an.
1925 entstand in Hohe Düne die Seeflug GmbH, in Wirklichkeit eine Ausbildungsstätte der Marine für Seeflugzeugführer und -beobachter.
1945 wurde Hohe Düne für kurze Zeit noch einmal Verkehrsflugplatz, als Ersatz für Berlin-Tempelhof.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Flugplatzanlagen in Erfüllung des Potsdamer Abkommens gesprengt oder demontiert.
1945 bis 1956 wurde Hohe Düne von den sowjetischen Seestreitkräften als Ausgangsbasis für Minensuche und Küstensicherung genutzt.
1956 bis 1990 war in Hohe Düne die 4. Flottille der DDR-Marine stationiert.
Nach 1990 blieb Hohe Düne Militärstandort.
1994 wurde die Schnellbootflottille der Marine hierher verlegt.
Und im zivilen Bereich: Ab 1953 entstand auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes von Arado die erste AWG-Siedlung der DDR. Gebaut wurden 96 Häuser. In ihnen wohnten Arbeiter der Warnowwerft. Heute stehen diese Häuser unter Denkmalschutz. In dem Namen “Platz des Friedens” für den Platz, auf dem wir hier stehen, drückten die Bewohner von Hohe Düne ihre Erfahrungen mit dem zerstörerischen Krieg aus, den sie erlebt hatten. Diesen Gedanken sollten wir weitertragen.
[http://www.friedenskooperative.de/netzwerk/om06-080.htm]
“Marine will Hafen in Warnemünde stärken”
Flottenchef kündigt Ausbau an / Plan für G8-Gipfel
Warnemünde/Flensburg (EB) • Der scheidende Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Wolfgang Nolting, hat einen weiteren Ausbau des Marinehafens Rostock-Warnemünde in Aussicht gestellt. So sollte geprüft werden, ob die so genannte “Rüstungsflotte” – sie umfasst Sicherungsboote für das Schießgebiet in der Hohwachter Bucht – in Warnemünde stationiert wird. “Darüber hinaus muss über die Aufstellung weiterer Marineschutzkräfte zur Objektsicherung nachgedacht werden, die dort ebenfalls stationiert werden könnten”, sagte Nolting, der am 1. Mai als Inspekteur der Marine arbeitet und gestern in Wilhelmshaven sein Amt als Befehlshaber an Vizeadmiral Hans-Joachim Stricker übergab.
Zur besseren Terrorabwehr mahnte der Flottenchef ein Seesicherheitsgesetz an, das einen präventiven Einsatz der Marine zur Gefahrenabwehr ermöglicht. Ein solches Gesetz sei auch mit Blick auf den G8-Gipfel im kommenden Jahr im Ostseebad Heiligendamm notwendig, wenn die Marine die Sicherheit von See her gewährleisten solle."
[13.4.2006]
Vizeadmiral Hans Joachim Stricker