2007-01-05
Alljährlich findet im Februar in München eine hochrangige Konferenz von KriegstreiberInnen statt. Getarnt als “Sicherheitskonferenz” stimmen dort VertreterInnen der militärischen, ökonomischen und politischen Elite ihre Hegemonialstrategien ab.
Doch wie bereits in den letzten Jahren wird auch das Gipfeltreffen in München von Protesten und Widerstandaktionen begleitet werden. Bereits seit Monaten läuft unter der Parole “Smash NATO” eine internationale Mobilisierung gegen das Treffen der Welt-Kriegs-Elite.
Vor einem Jahr sind trotz des Verbots aller Proteste Tausende gegen die Sicherheitstagung auf die Straße gegangen. Dieses Jahr hat sich Münchens Bürgermeister Christian Ude für eine Strategie der Umarmung entschieden. Wenn er nicht die Kriegselite im Rathaus empfangen müsste, würde er am liebsten selber an den Protesten teilnehmen, sagt er. Natürlich nur mit den demokratischen und friedlichen Gruppen …
Ob diese Spaltungsversuche vom Bündnis abgewehrt werden können, werden die Tage in München zeigen. Bisher jedenfalls gilt: “Wir lassen uns die Formen unseres Protestes nicht vorschreiben”.
Für alle die sich im Vorfeld ein Bild über die Konferenz und die geplanten Proteste machen wollen, hier ein paar Hintergründe.
1) Was ist die Sicherheitskonferenz ?
2) Wer bereitet die Konferenz eigentlich vor ?
3) Was haben Globalisierungskritik und Antikriegsbewegung miteinander zu tun ?
1) Was ist die Sicherheitskonferenz ?
“Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Spitzenvertreter der internationalen Wirtschaft ist, ist die Sicherheitskonferenz in München für die Repräsentanten der strategischen Gemeinschaft.”
Diese Einschätzung trifft Horst Teltschik, Vorstandsmitglied bei BMW, auf der hauseigenen Konferenz-Internetseite unter dem Motto “Münchner Sicherheitskonferenz – das Davos der Sicherheitspolitik”. Seit 1998 organisiert und leitet der ehemalige deutsche Kanzlerberater für Sicherheitspolitik im Auftrag der BMW-eigenen “Herbert-Quandt-Stiftung” die Münchner Militärtagung. Teltschik wurde auf Wunsch von Helmut Kohl Nachfolger von Ewald von Kleist, jenem ehemaligen Wehrmachtsoffizier und späteren Widerstandskämpfer um Stauffenberg, der als ideale Integrationsfigur für die westlichen Militärs im Kalten Krieg der Münchner “Wehrkundetagung” seit 1962 das internationale Renommee verschaffte.
Die Neutronenbombe wurde hier genauso hoffähig gemacht wie die Nato-Nachrüstung, der atomare Erstschlag oder die militärstrategischen Konzepte der Zukunft: Seit Jahren werden hier Einsätze außerhalb des Bündnisgebietes (“out of area”) vorbereitet oder der “Sicherheitsbegriff” ausgedehnt auf nicht-militärische Bedrohungen, und damit ein Dauer-Kriegs-Zustand legitimiert, der lokal und zeitlich entgrenzt oder als Präventivschlag mit oder ohne UN-Mandat geführt wird. An Präventivkriegskonzepten arbeiten dabei nicht nur die USA, sondern längst auch die Bundeswehr. So fordert das “Zentrum für Analysen und Studien der Bundeswehr” in einer aktuellen Studie: Deutschland solle mit anderen Partnern “eine Führungsrolle in der EU übernehmen und Streitkräfte in Europa und ihre Fähigkeiten vorantreiben”. Einsätze sollen in Zukunft innerhalb von Stunden oder Tagen möglich sein und “Gefahren für Deutschland und seine Partner auch jenseits der Grenzen Europas” abgewehrt werden können. Der “Krieg gegen den Terror” und der mögliche Angriffskrieg gegen den Irak stehen auf der Tagesordnung der nächsten Konferenz vom 7. bis 9. Februar 2003 in München.
Seit 1998 sitzt auch die Rüstungslobby direkt mit am Tisch. Der DASA-Vorstandsvorsitzende Manfred Bischoff nutzte bereits bei seiner Antrittsrede die Gelegenheit: Er beklagte den immer größer werdenden technologischen Rückstand zu den USA und forderte eine “Europäisierung der Luft- und Raumfahrtindustrie.” Ohne die Zwänge eines offiziellen Protokolls und die Notwendigkeit von Abschlusserklärungen wird auf der Münchner Konferenz in einem informellen Rahmen diskutiert und dabei Klartext geredet. So ist das “beste militärpolitische Seminar der westlichen Welt”, wie es ein US-Senator einmal nannte, vor allem auch ein Gradmesser für den inneren Zustand der NATO, da “wichtige Fragen der zukünftigen internationalen Sicherheitsarchitektur offen und kritisch” diskutiert werden. “Gerade in ihrer Funktion als Kontakt- und Informationsbörse einerseits sowie Diskussionsforum mit hoher Medienwirksamkeit andererseits liegt die große Anziehungskraft der Münchner Sicherheitskonferenz begründet” (Teltschik). Die NATO-Tagung in München sei deshalb einzigartig.
Der tiefere Sinn der Konferenz besteht vor allem in der Möglichkeit, am Rande der Sitzungen Gespräche “unter vier Augen” führen zu können. Im informellen Austausch zwischen Vertretern der Rüstungsindustrie, militär-strategischen “Think Tanks” und RegierungsvertreterInnen liegt der wahre Wert der Konferenz. So finden sich seit Jahren VertreterInnen von Konzernen wie Daimler Chrysler, EADS, Krauss-Maffei Wegmann, Boeing, Lockhead Martin usw. auf der TeilnehmerInnenliste. Außerdem pilgern unzählige ehemalige Generäle und sogenannte “SicherheitsexpertInnen” von Organisationen und Instituten wie der “Rand Cooperation”, der “Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik” (DGAP) oder dem “Institut für Strategische Analysen” (ISA) nach München. Aus der BRD beteiligen sich insbesondere Stabskader der Bundeswehr, DiplomatInnen, Militär- und außenpolitische ExpertInnen der großen Parteien (inklusive der Grünen) an der Konferenz.
Hier gibt’s auch noch die offizielle Geschichtsschreibung der Konferenz.
Die Themen und TeilnehmerInnen der vergangenen Jahre:
1999 – Globale Sicherheit an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend
2000 – Herausforderungen für eine globale Sicherheitspolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts
2001 – Euro-atlantische Partnerschaft und globale Herausforderungen im neuen Jahrhundert
2002 – Internationaler Terrorismus – Die Herausforderung für globale Sicherheit
Die “Sicherheits”tagung 2003:
Horst Teltschik, der Veranstalter der Konferenz, versuchte in einem Pressegespräch den Protesten mit dem klassischen Propagandatrick der Umkehrung den Wind aus den Segeln zu nehmen. “Krieg ist Frieden” – so seine Botschaft, denn anders, als immer wieder von den Demonstranten behauptet, handle es sich bei der “Sicherheitstagung” nicht um eine NATO-Konferenz (“obwohl mir das keine Sorgenfalten bereiten würde”), sondern um eine “internationale Friedenskonferenz”. Weniger überzeugend jedoch seine Begründung, bei der er die Garanten des Friedens benennt: “Die Teilnehmer reden über Krisen und deren Überwindung und sprechen über Maßnahmen der Krisenprävention. Wo sonst gibt es das, dass sich hochrangige Politiker und Militärs aus demokratischen und nicht-demokratischen Staaten so intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen?”
Zur 39. Konferenz, haben sich bisher 28 Außen- und VerteidigungsministerInnen, der NATO-Generalsekretär, Lord Robertson, sowie der Hohe Repräsentant für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Dr. Javier Solana, angemeldet. VertreterInnen aller im Bundestag vertretenen Parteien (außer der PDS) werden ebenfalls teilnehmen. Auch SpitzenpolitikerInnen der Grünen – so Teltschik – nehmen seit Jahren an der Konferenz teil.
Neben den rund 400 JournalistInnen, die die Konferenz begleiten werden, gehören auch zahlreiche FachjournalistInnen zu den KonferenzteilnehmerInnen… Für Teltschik ein Zeichen von Offenheit und Transparenz – für andere ein Ausdruck für die Verwobenheit von Journalismus und Kriegsführung.
2) Wer bereitet die Konferenz eigentlich vor ?
Neben dem bekannten Horst Teltschik – ehemaliger BMW-Vorstand und Kanzlerberater – lohnt sich auch Blick hinter die Kulissen der Sicherheitskonferenz.
Die technische Seite der offiziellen Webseite der Konferenz wird von Moritz Koehler, einem Informatikstudenten der Technischen Universität München gestaltet und betreut. Die inhaltlichen Beiträge jedoch kommen größtenteils von militärischen Öffentlichkeitsprofis:
Oberstleutnant Klaus D.Treude (ehemaliger Bataillonskommandeur beim I./LwAusbRgt 3 in Mengen)ist heute Abteilungsleiter beim Presse- und Informationszentrums der Luftwaffe (PIZLw) und Autor in “Die Bundeswehr”, dem Magazin des Deutschen Bundeswehr Verbandes. Er ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Konferenz zuständig.
Für direkte Fragen an die Vorbereitung und Organisation der Konferenz:
Organisationsbüro
Tel. +49 89 15 98 21 25
Fax +49 89 15 98 21 26
office@securityconference.de
oder:
Presseabteilung
Tel. +49 89 31 68 61 41
Fax +49 89 31 68 61 44
press@securityconference.de
Auch die Quant-Stiftung steht für direkte Nachfragen zur Sicherheitskonferenz jederzeit gerne zur Verfügung:
Herbert-Quandt-Stiftung
Herbert-Quandt-Haus
Am Pilgerrain 15
61352 Bad Homburg v.d. Höhe
Telefon +49 (0) 6172 1712-500
Telefax +49 (0) 6172 1712-545
h-quandt-stiftung@altana.de
oder:
Herbert-Quandt-Stiftung
Repräsentanz Berlin (Herr Dr. Mark Speich)
Pariser Platz 3
10117 Berlin
Telefon +49 (0) 30 206 290-0
Telefax +49 (0) 30 206 290-13
hqs_berlin@altana.de
3. Was haben Globalisierungskritik und Antikriegsbewegung miteinander zu tun ?
Dass Kriege eigentlich immer auch um Rohstoffe, Handelswege und regionale Vorherrschaften geführt werden, ist ein Allgemeinplatz. Doch Krieg ist im Kapitalismus nicht nur Ausdruck von Konkurrenz, sondern eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren des Systems selbst. Denn die Basis von Ausbeutung ist die ungleiche Verteilung, der Raub und die Eroberung – und diese lassen sich mehrheitlich am besten mit militärischer Gewalt durchsetzen. Doch nicht nur zum Erhalt der bestehende Verhältnisse, sondern auch zur Lösung der eigenen Probleme oder zum Wechsel in eine andere Form der kapitalistischen Wirklichkeit sind Kriege extrem praktische Instrumente. Ein globalisierter Kapitalismus führt logischerweise auch einen globalen Krieg.
“Zu oft sind sie [die Kriege] begleitet von Vorstellungen, dass Gewalt, Zerstörung und auch Vernichtung “eigentlich” nicht rational, modernitätsfeindlich und unproduktiv sind, sozusagen die irrationale Seite des Kapitalismus, die es nur von seinen rationalen Formen wegzunehmen gälte. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Gewalt, Zerstörung und auch Krieg gehören zum Kern kapitalistischer Rationalität, zum roten Faden seiner Modernisierungs- und Fortschrittspfade.” (Detlef Hartmann 2002: Ökonomie des Krieges – Krieg der Ökonomie)
Im Kontext der kapitalistischen Globalisierung ist Krieg nicht nur Zerstörung, sondern vor allem “schöpferische Zerstörung”. Die Vorteile des Krieges für die kapitalistische Ausbeutung bestehen v.a. darin, aus der Zerstörung unprofitabler und resistenter bis widerständiger Bevölkerungsstrukturen neue Kommandoformen zu “schöpfen”, neue kriegerische Avantgarden herausheben zu lassen, die Widerstände zwischen den Fronten zu zerreiben und die Bevölkerungen unter die Kriegslogik zu zwingen. Krieg in dieser Logik ist immer ein Transformationskrieg. Transformation in einen anderen Zustand der Ausbeutung. [ausführlicher und lesenswert: materialien für einen neuen antiimperialismus (2001)]
Mehr zum Thema Krieg und Globalisierung gibt es hier zu lesen:
Dauerhafter Krieg (in der arranca)
Global Brutal von Michel Chossudovsky
Doch die weltweiten Bewegungen gegen die kapitalisische Globalisierung haben lange Zeit die militärischen Faktoren aus ihrer Wahrnehmung ausgeblendet – mobilisiert wurde v.a. zu Gipfeltreffen der politischen oder wirtschaftlichen Eliten (G8/IWF/WEF). Erst mit der offenen Kriegspolitik nach dem 11.September haben viele die militärische Komponente der Globalisierung deutlicher wahrgenommen. Anders als bei der pazifistisch motivierten “alten Friedensbewegung” ordnet die “neue Antikriegsbewegung” die Kriegspolitik in einen antikapitalistischen Kontext ein (leider ohne andere zentrale Widersprüche mit zu berücksichtigen). Ökonomische Ausbeutung und Kriege sind zwei Seiten der selben Medaille. Und wenn die Globalisierung militarisiert ist, dann muss sich im Gegenzug die Antikriegsbewegung internationalisieren. Die internationalen Mobilisierungen zur NATO-Tagung in Prag (Nov. 2002) und zur Sicherheitstagung nach München stehen ebenso für diese Tendenz wie europa- oder weltweit abgestimmte Aktionstage gegen einen erneuten Irakkrieg.
Die Sicherheitstagung ist ein erstklassiges Thema der Antikriegsbewegung:
• Die Konferenz ist d a s Treffen der Welt-Kriegs-Elite.
• Das Treffen ist ein deutliches Beispiel für die enge Kooperation von militärischen, politischen und ökonomischen Eliten.
• Die Sicherheitstagung ist ein gutes Beispiel für die verwirrende Öffentlichkeitsarbeit der Kriegspropaganda: Nicht über Kriege wird beraten, sondern über “Frieden”, “globale Herausforderungen” und “Sicherheit”.
• Die Sicherheitstagung verdeutlicht den Zusammenhang von Krieg und Patriarchat
Deshalb hat es auch schon in den vergangenen Jahren immer wieder Proteste gegen die Sicherheitstagung gegeben. Oft waren es nur wenige Dutzend oder einige Hundert AktivistInnen, doch seit letztem Jahr ist München ein Mobilisierungshighlight der Antikriegsbewegung. Durch die in Mode gekommenen Gipfelstürme gegen die elitären Treffen der Herrschenden ermuntert, den Krieg des Westens gegen den globalen Süden (“Krieg gegen den Terror”) wütend gemacht und das städtische Demonstrationsverbot angestachelt, gingen im letzten Februar Tausende auf die Strasse.
[http://www1.autistici.org/g8/deu/siko/auf-nach-muenchen-hintergruende-zur-sicherheitskonferenz/]