Schottland im Sommer 2005 "Die Führer scheinen irgendwie von den
Veränderungen um sie herum losgelöst
zu sein. Wir können uns das Foto
bereits vorstellen ... ein König,
umgeben von niederen Monarchen.
Das ist kein Bild der Zukunft ..."

Michael Hardt, Antonio Negri

Auch für den G8-Gipfel in Schottland haben verschiedenste Gruppen und Organisationen Proteste angekündigt. Hier ein kurzer Überblick über die Vielfalt der Aktionen und Themen:

Unter dem Motto "Make Poverty History (Armut zur Geschichte machen)" mobilisiert eines der größten Bündnisse von NGOs, das es je gegeben hat, zu einer Demonstration für Schuldenerlass und Armutsbekämpfung nach Edinburgh am Samstag vor Beginn des G8-Gipfels. Medien und OrganisatorInnen? rechnen mit über 100.000 Menschen.

Die Hügelfeuer

Signalfeuer auf Berggipfeln oder Türmen werden seit tausenden von Jahren in der ganzen Welt als Warnsysteme benutzt. In England wurde ein System von Signalfeuern auf erhöht liegenden Orten von den Normannen eingerichtet, dass auch noch 1588 innerhalb von zwölf Stunden die Nachricht "Gefahr" durch das ganze Land verbreitete, als die Flotte der spanischen Armee gesichtet wurde.

Heute benutzen wir sie als Warnung vor dem Treffen der G8. Schon Mitte Mai sollen in Schottland Hügelfeuer die schlechte Nachricht des Anrückens des G8-Gipfels verkünden und Menschen zur Mithilfe am Widerstand aufrufen. In der ersten Juniwoche soll dann von lokalen Gruppen wiederrum mit großen Feuern auf den Aufruf geantwortet werden. Die Signale sollen mehr Bewusstsein für den kommenden Gipfel auch innerhalb der schottischen Bevölkerung erzeugen und stellen auch eine Möglichkeit für lokale Aktionen dar.

Geplant sind Warnfeuer während der gesammten Proteste im Juli in Gleneagles, so wie aus Geldscheinen gemachte Figuren der Regierungschefs auf acht Hügeln rund um das Konferenzgelände zu entzünden.

Wie die Auswirkungen des G8 Gipfels selbst bleibt auch der Protest nicht auf Schottland beschränkt. Und so wird es während des Gipfels weltweite Hügelfeuer geben.

Gleichzeitig scheint es Sorge der Medien zu sein, dass diese Demonstration zu "Zuständen wie in Genua" führen könnte, wenn sich "Anarchisten und andere" unter den Protestmarsch mischten. Die eher allgemein gehaltenen politischen Forderungen führten auch zu Vereinnahmungsversuchen durch die Politik, so z.B. durch den britischen Schatzkanzler Gordon Brown, der dazu aufzuruft, sich "in Edinburgh zu versammeln und sich für eine Bekämpfung der Armut einzusetzen". Ob sich die NGOs gegen diese Versuche der "Assimilierung" wehren können (oder wollen), wird sich zeigen müssen.

Radikales Golfen

Da der Gipfel dieses Jahr in einem Golfhotel tagt, ist für den 7. Juli ein "anarchistisches Golfturnier" geplant. Das Ziel für möglichst viele Kleingruppen wird das "Einlochen" in die Golfanlage von Gleneagles sein. Darüber hinaus soll das Golfspielen als Symbol des globalen Protestes genutzt werden. So ist z.B. auch vor der britischen Botschaft in Moskau eine Minigolfpartie geplant. Eine weitere Idee ist es die vielfältigen Möglichkeiten des Golfsports für kreative Aktionen und Blockaden einzusetzen. So könnten selbst gebaute Minigolfanlagen als spontane Blockaden genutzt werden oder golfspielend YoMango?-Aktionen durch die Innenstadt gemacht werden. Natürlich sollen die G8 und nicht das Golfen als solches kritisiert werden. Im Gegenteil: alle freiheitsliebenden Individuen sind eingeladen bei einer Partie Peoples -Golfing ihren Teil zur Verschönerung des gepflegten Gleneagler Pestizid-Rasens zu leisten.
Das unter dem Namen "G8 Alternatives (G8-Alternativen, G8A)" agierende Bündnis organisiert sich weitgehend in Schottland selbst und ist zur Zeit ein gern gesehener Ansprechpartner der Medien. Teile der Gewerkschaftslinken und die SCND (Scottish Campaign for Nuclear Disarmament), aber auch verschiedene von der Socialist Workers Party (SWP) dominierte Organisationen wie "Globalize Resistance" sind dort vertreten.

Die G8A planen u.a. eine Großdemonstration an der Bahnstation in Gleneagles, wenige Kilometer vom Hotel entfernt.

Faslane Blockade

Am Morgen des 4. Juli wird es deshalb eine Blockade der Zufahrtsstraßen zum U-Boot-Stützpunkt in Faslane geben, um den Betrieb so weit wie möglich zu stören. Es soll auch versucht werden in die Station einzudringen, über die Gitter oder schwimmend. Aufgerufen wird hierzu von Trident Ploughshares und der shottischen CND. Andere antimilitärische Gruppen können sich aber noch anschließen. Der extremen Gewalt durch Atomwaffen soll friedlich Widerstand entgegengesetzt werden.
Die ClownArmee

Unter dem Kürzel CIRCA (Clandestine insurgent rebel clown army) organisiert sich derzeit eine ganze Armee von Clowns um dem humorlosen Treffen Kreativität, Lachen und rote Nasen entgegenzusetzen.

CIRCA touren schon seit Mai durch England und machen Workshops zum Clowning und gewaltfreien direkten Aktionen um neue Clowns zu rekrutieren und für die Proteste zum G8-Gipfel eine ganze "Armee" aufstellen zu können. Dafür ist auch die Operation H.A.H.A.H.A.A (Helping Authorities House Arrest Half-witted Authoritarian Androids) geplant. Der Plan ist es, mittels unorthodoxer, humoristischer Einzelaktionen die massive Abschottung des Gipfels durch Militär und Polizei ad absurdum zu führen. So werden die Clowns alles Mögliche daran setzen, die hinter Gitter, Panzern und Sicherheitskräften verschanzten hohen Herren aus ihrem Luxusknast auch nicht mehr raus zu lassen, sie quasi unter "Hausarrest" zu stellen und so den Spieß umdrehen.

Schon jetzt hat CIRCA einen "War and Strategic Planning Room" in Glasgow eingerichtet, in dem die Operation H.A.H.A.H.A.A., geplant werden kann. Mit tausenden von Plastiksoldaten und -polizisten kann auf einem neun quadratmeter großem Stadtplan von Gleneagles alle Möglichkeiten und Strategien ausprobiert und durchgespielt werden.
Dann sind da noch die Menschen, die in der britischen Presse schlicht "die Anarchisten" genannt werden: Unter dem Namen "Dissent!Network" hat sich in den letzten zwei Jahren ein Netzwerk gebildet, dem freie Gruppen angehören, von denen sich viele als "anarchistisch", alle aber als basisdemokratisch verstehen. Es gibt keine feste Organisation oder Struktur, auch keine SprecherInnen?. Oder wie es in einer gemeinsamen Erklärung heißt: "Wer im Namen des Netzwerkes spricht, der lügt." Wie der Name Dissent! unschwer erraten lässt, geht es um grundsätzliche Kritik am G8-Treffen.

Ziel ist es dabei nicht nur, eine Massenmobilisierung zu der ein oder anderen Aktion zu erreichen. Vielmehr "soll mit anderen Menschen aus Europa und der ganzen Welt zusammengearbeitet und diskutiert werden, um zu entscheiden, was wir - als eine globale Bewegung - aus dieser Bewegung machen wollen." Obwohl gerade die Gruppen des Dissent!-Netzwerkes schlechte Erfahrungen mit der SWP gemacht haben, findet zwischen Dissent! und Teilen der G8 Alternatives ein Austausch statt. Wie viele Gruppen und Einzelpersonen sich dem Netzwerk angeschlossen haben, das sich inzwischen auf ganz Europa erstreckt, ist kaum einzuschätzen.

Mehr zu geplanten Aktionen und Protesten findet sich auf den Webseiten der einzelnen Initiativen.

» dissent-archive