»Die Polizei wurde zum Opfer stilisiert«

junge Welt 12. Juni 2007

Protest gegen Tendenz-Berichterstattung. G-8-Gegnerin von Christiansen-Sendung ausgeladen. Ein Gespräch mit Judith Demba
Interview: Ralf Wurzbacher

Judith Demba war bei der Vorbereitung der Proteste gegen den G-8-Gipfel aktiv im Bündnis zum Aktionstag gegen Krieg, Militarisierung und Folter

Sie waren ursprünglich für Sabine Christiansens Sendung »Polizei – Die Prügelknaben der Nation« eingeladen. Warum wollten Sie die Macher der Sendung am Ende doch nicht dabei haben?

Der Redaktion reichte es nicht aus, daß ich bei der Demonstration in Rostock nur auf der Abschlußkundgebung vor Ort war. Tagsüber fanden zeitgleich die Verhandlungen zu den geplanten Kundgebungen am Flughafen in Rostock-Laage statt, an denen ich teilgenommen habe. Die Beteiligung an den Blockaden und Versammlungsleitung in Friedrichshof waren ihnen zu wenig »Hintergrund«.

Erscheint Ihnen die Begründung glaubwürdig?

Schaut man sich die Talkrunde von Sonntag an, läßt sich feststellen: Günther Beckstein oder Gerhard Baum waren gar nicht vor Ort.

War Ihre Ausladung auch der Grund für die Protestdemonstration vor den Türen des TV-Studios am Berliner Bahnhof Zoo?

Nein, Anlässe waren der Inhalt der Sendung mit dem suggestiven Titel »Polizei – Prügelknaben der Nation?« und die im Vorfeld geäußerten Forderungen nach noch mehr Repression, wie beispielsweise die Bewaffnung der Polizei mit Gummigeschossen. Der Titel »Polizei –Prügler der Nation!« wäre der Wahrheit wesentlich näher gekommen. Uns war es wichtig, gerade mit Blick auf die monatelange Kriminalisierungskampagne im Vorfeld der G-8-Proteste, auf eine Entwicklung aufmerksam zu machen, die wir in der Frage »Vom Rechtsstaat zum Polizeistaat?« zusammengefaßt haben.

Im Studio war es einzig an der Rechtsanwältin Karen Ullmann, die Position der Gipfelgegner zu vertreten. Ist das Kalkül der Macher, die Kritik an den zahllosen Rechtstaatsbrüchen während des Gipfels klein zu halten, aufgegangen?

Nein. Karen Ullmann hat die Gipfelgegner super vertreten und die Repressionsstrategien der Polizei und die Lügen der verantwortlichen Politiker entlarvt.

Und das obwohl auch die »Stimmung« im Publikum »programmiert« gewesen sein soll?

Ja, es mutet schon seltsam an, wenn Frau Ullmann eine Person auf die Gästeliste setzen »darf«, während sich andere Teilnehmer 20 Claqueure mitbringen können. Aber wie auch immer, die Strategie ist nicht aufgegangen.

Welches Bild haben die bürgerlichen Medien in Ihren Augen während der Gipfeltage insgesamt abgegeben?

Die – sofern man das überhaut sagen kann – objektivste Berichterstattung habe ich noch der Ostseezeitung entnommen. Ansonsten stimmten die meisten Medien bereitwillig in eine riesige Diffamierungskampagne nach der Strategie »teile und herrsche« ein. Insbesondere über die »Rostocker Randale« wurde minutiös und tendenziös berichtet. Die Polizei wurde zum Opfer stilisiert, während die Scheinheiligkeit der G-8-Veranstaltung keine Rolle spielte.
Selbst über die friedlichen Blockaden wurde vornehmlich im Zusammenhang mit Wasserwerfern und Räumpanzern berichtet.

Inwieweit hat die Berichterstattung dem Image der Gipfelgegner geschadet?

Ich finde es sehr bedauerlich, daß die Absicht, die Bewegung in Gute und Böse aufzuspalten, tatsächlich aufgegangen ist, und daß sogar unmittelbar Beteiligte – vor allem aus Reihen von ATTAC – mit ihren Distanzierungsbekundungen gegenüber »den Randalierern« das Spiel mitgespielt haben. Insbesondere die Gleichsetzung von militantem Widerstand und Neonazis, wie sie Peter Wahl vorgenommen hat, halte ich für absolut skandalös.
Angesichts der Ausgrenzung immer größerer Teile der Gesellschaft, angesichts der Tatsache, daß alle fünf Sekunden ein Kind an den Folgen von Hunger und Armut stirbt und zahllose Menschen in Kriegen sterben oder verkrüppelt werden, muß man sich über die in der Gesellschaft vorherrschende Ruhe doch eher wundern.

Hätte man auf solche Spaltungsversuche nicht besser vorbereitet sein müssen?

Die Erfahrung mit früheren Gipfelprotesten hätte auf jeden Fall lehren müssen, daß es die »Ordnungshüter« sehr wohl darauf anlegen, ihre massenhafte Anwesenheit mit massiven Übergriffen auf Demonstranten zu legitimieren. Die Reaktionen am und nach dem 2. Juni werfen jedenfalls die Frage auf, ob und inwieweit die zwei Jahre Vorbereitungszeit genutzt worden sind, auch solche wichtigen Fragen zu diskutieren.

http://www.jungewelt.de/2007/06-12/052.php