“Neu ist nur das mediale Interesse”

taz 12. Juni 2007

Haben die zivilen Polizeibeamten in Heiligendamm zur Gewalt aufgerufen? Teilnehmer widersprechen den Polizeiberichten, die Aufklärer hätten lediglich Informationen gesammelt. Interview mit einem Augenzeugen

taz: Herr Volland, woran haben Sie die Zivilbeamten bei der G 8-Demonstration erkannt?

Ralf Volland (Name geändert): Diese Personen waren zivile Aufklärer von der Beweis- und Feststellungseinheit aus Bremen, die uns schon öfter aufgefallen sind. Sie haben bei früheren Veranstaltungen fotografiert und die Gesichter waren uns bekannt.

Und woran haben Sie sie in Bremen identifiziert?

Wir kannten das Auto von ihnen und auch das Auftreten: Alle sind kräftig gebaut und in Unterhaltungen mit Polizeibeamten gesehen worden.

Inwiefern haben die Aufklärer versucht, die Lage eskalieren zu lassen?

Zwei der Männer aus der Vierergruppe gingen aufs Feld, als die Situation zu eskalieren drohte. Sie vermummten sich, forderten Leute auf, den Zaun und die Polizei anzugreifen und schmissen Steine. Das war für uns der Zeitpunkt, wo klar war, dass die Personen geoutet werden müssen. Wir sind zu ihnen hin, haben gesagt, dass wir sie erkannt haben. Daraufhin reagierten sie aggressiv. Später kamen Leute aus dem “Legal Team” (Anwaltlicher Notdienst; d. R.) hinzu, die nur gesiezt wurden, was bei Demos unüblich ist. Und auf die Frage, dass sie sich ausweisen sollten, konnten sie keine Antwort geben. Eine Anwältin brachte sie zur Polizeikette, wo sie ohne weitere Fragen aufgenommen wurden.

Laut Polizeiangaben hätten andere Demonstranten verhindert, dass die Aufklärer zusammengeschlagen wurden.

Was schon passiert ist: Sie wurden etwas aggressiver angesprochen. Wenn man zehn Stunden versucht, eine friedliche Blockade aufrechtzuerhalten und dann die ersten Gewaltaktionen von der Polizei kommen, dann werden natürlich auch Leute sauer. Aber eine Auseinandersetzung, wie sie die Polizei beschrieben hat, ist mir nicht bekannt.

Sie widersprechen also der Aussage, die Aufklärer hätten nicht zu Gewalt aufgerufen?

Ja. Und das ist seit Jahren zu beobachten. Neu ist nur, dass es ein mediales Interesse daran gibt.

Stellen Sie sich Christian Ströbele, der einen Untersuchungsausschuss einberufen will, als Zeuge zur Verfügung?

Je nachdem, wie sich die Situation entwickeln wird, ja. Was viele beunruhigt, ist die Drohung der Polizei, Anzeige wegen Verleumdung und Körperverletzung zu stellen.

INTERVIEW: GRÄ

taz Nord vom 12.6.2007, S. 21, 77 Z. (Interview), GRÄ

http://www.taz.de/dx/2007/06/12/a0210.1/text