(Un-)Kreativer Mist auf 3 Ebenen Schanze, Parteien, Kulturhaus

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Am 31.03.07 findet im Kulturhaus 73 eine von den Grünen organisierte Veranstaltung zum Thema „Kreative Stadt: Die Zukunft er Europäischen Metropolregionen?” statt. Als Gast ist unter anderem Ole von Beust geladen. Um im internationalen Standortwettbewerb mitzuhalten, haben alle Parteien ein Leitbild für Hamburg entwickelt: Die CDU das der „wachsenden Stadt”, die SPD das der „menschlichen Metropole” und nun die Grünen das der „kreativen Stadt”. Alle argumentieren nach der gleichen Logik, die Konzepte sind jedoch kaum voneinander abgrenzbar: Hamburg muss attraktiver werden, dafür brauche es sogenanntes „kreatives Potential”. Und dieses Potential schlummert angeblich vor allem im jungen, gut ausgebildeten Mittelstand. Den gilt es anzulocken und über attraktive (ökonomische) Angebote hier zu halten. Die Grünen verknüpfen dabei, wie bereits andere Ansätze der Vergangenheit auch, Kultur und Ökonomie miteinander.

Die GAL und ihre Leitkultur

Das Konzept der „kreativen Stadt” ist allerdings wenig kreativ und originell. Das was hier so innovativ daherkommt, ist nichts anderes als das Konzept der „wachsenden Stadt” der CDU, nur vielleicht statt im biederen Jackett im grünalternativen Norwegerpulli. Auch die Grünen orientieren ihr Leitbild an einer „grün-affinen urbanen Mittelschicht”. Es geht in der Regel um junge Menschen mit gutem Einkommen, die über die Stärkung des Kulturangebotes nach Hamburg gelockt und hier gehalten werden sollen. Dieses ist nur der Aufguss des schon in den achtziger Jahren propagierten Buhlens um die „aufstiegsorientierten Mittelschichten”, die damals als „unabdingbares Humankapital” durch Investitionen u.a. in Musicals ( Cats, Phantom der Oper ) nach Hamburg gelockt werden sollten.

Die aus dem Raster fallen, werden auch im GAL-Konzept der „kreativen Stadt” bedacht. Die GAL hält das für besonders fortschirttlich, wenn mit Hilfe der „Kreativität” sich die ökonomisch schlechter Gestellten jetzt selbst wieder aus dem Sumpf ziehen dürfen. Denn „Kreativität ist kein moralischer Wert wie Solidatirät oder Nächstenliebe, sondern ein wertfreies Prinzip. (...) Die Herausforderung liegt darin, das Risiko mit der eigenen Kreativität zu überwinden.” Kurz gesagt: Jeder_r ist seines/ihres Glückes Schmied_in. Das sind neoliberale Parolen, die auch bei der CDU bestens ankommen.

Für die GAL scheint es sowieso ziemlich „hip” im Prekariat zu sein: „... flexible Jobs werden geliebt (...) weil sie über ihre Hipness, Coolness und die Geschwindigkeit das Gefühl vermitteln, am Puls der Zeit zu leben.” Deshalb ist es offenbar auch nicht nötig, an der ökonomischen Situation irgendetwas zu ändern. Unsicherheit, schlechte Bezahlung gelten auch für die GAL als zumutbares individuelles Risiko. Wir fragen uns da, welche Vorstellung sie von prekär Beschäftigten haben? Was ist so cool daran, morgens Ole die Zeitung zu bringen, tagsüber im unbezahlten Praktikum zu arbeiten und abends bei Christa zu putzen? So ständig am Lebensminimum zu existieren ist für uns jedenfalls lediglich eine kreative Form von Ausbeutung. Von der standortpolitisch ach so wichtigen Kulturindustrie haben jene in doppelter Hinsicht nichts: Sie ist nicht für sie gedacht und außerdem können sie die Eintrittsgelder nicht bezahlen. Macht ja nix, denn wenn es nach der GAL geht, soll's auch Angebote geben für die, die keinen Cent mehr in der Tasche haben: „Eine Privatisierung öffentlicher Räume lehnen wir ab. Die Entwicklung der Stadtteile mit ihren Wohnquartieren, Plätzen, Parks und Gärten ist ein wichtiges Element städtischer Sozialpolitik, weil sie durch Bereitstellung öffentlicher Güter die Chance verbessert, auch mit wenig Geld ein gutes Leben zu führen.” Soweit die Theorie. Praktisch ist das blanker Hohn, schaut man sich z.B. die Politik von Schwarz-Grün in Altona an: Hier wurde das öffentliche und günstige Bismarkbad geschlossen. Und nach seinem Abriss wird bald die nächste Shopping-Mall entstehen um die leeren Taschen in vollen Zügen ausgeben zu können. Stattdessen wird der „Walter-Möller-Park”, der erst vor einigen Jahren mit Kletterwand und Skaterbahnen neu gestaltet wurde, zum Großteil abgerissen und für 15 Millionen Euro mit einem Luxusbadetempel neu bebaut. Dass sich 70% der Altonaer Bevölkerung dagegen aussprach, hat die angeblich am Bürger_innenwillen so interessierte GAL auch nicht interessiert. Auch für die Menschen, die ohne Arbeit sind, sich Besuche in Luxusbadetempeln sowieso nicht leisten können, hat die GAL ein Konzept für sinnvolle Tätigkeiten: „Allen sollen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet werden, die ihre Fähigkeiten entwickeln und dem Gemeinwesen nützen.” Wie das im Konkreten aussieht, ist gemeinhin bekannt: Über „Ein-Euro-Jobs” werden Menschen zur Arbeit gezwungen, die weder Fähigkeiten fördern, noch zu „Kreativität” anregen. Während also, um in unserem Beispiel zu bleiben, sich die einen im Luxusbad vergnügen, kehren die anderen davor die Wiese solange, bis Sauberkeit und Ordnung herrschen. Auch in Zusammenhang mit Wohnformen ist der Begriff der Kreativität in Verbindung mit der GAL verfehlt. „Hamburg ist bundesweit Vorreiter bei der Entwicklung neuer Wohnformen, die ökologische Pionierleistungen mit sozialer Integrationswirkung und kultureller Vielfalt verbinden. In Baugemeinschaften und Wohnprojekten entwickelt sich die Utopie urbanen Lebens in Eigenverantwortung, jenseits von anonymen Massenwohnungsbau und öder Suburbanisierung.” Wie war das noch mit dem Nachhaltigkeitszentrum in Ottensen? Musste da nicht der halbe Wagenplatz weichen, um einem ökologisch wertvollem Einkaufszentrum Platz zu machen, das heute zu großen Teilen leer steht und eine Glanzleistung öder Suburbanisierung darstellt? Wagenplätze galten auch für die GAL nie als kreative Nische, sondern als Problem das es zu (aufzu-)lösen gilt. In dem von ihnen 1999 mit verabschiedeten Bauwagengesetz ist eine perspektivische Überführung aller Bauwagenbewohner_innen in steinerne Häuser nach wie vor erklärter Wille. Wagenwohnen ist nur eine Wohnübergangsform und auch für die GAL offenbar unvorstellbar als eigenständige Wohnform. Es ließen sich noch unsäglich viele andere Punkte herausarbeiten wie z.B. die Frage nach der Integration von Migrant_innen, die lediglich unter Verwertbarkeitslogik ihren Platz findet.

Ole geht kuscheln

Zu Ole von Beust brauchen wir nicht mehr viel Worte verlieren. Er wollte seinen vorletzten Wahlkampf hier starten ( damals wollte er die Rote Flora noch räumen ) und nun kommt er wieder. Ihn heißen wir ganz herzlich willkommen. Dass sich GAL und CDU gemeinsam präsentieren, ist wahrscheinlich eine zärtliche Anbahnung der kommenden Koalitionen für ganz Hamburg 2008. in Altona existiert das schwarz/grüne Bündnis bereits länger und der Kuschelkurs scheint dort gut aufzugehen. Wer sich in seinen Konzeptionen so ähnelt, hat auch keinen Grund zu streiten.

...und Kulturhaus 73

gähn....genau das was zu erwarten war. Unkritisch wird Veranstaltung an Veranstaltung gereiht. Dazu erfährt man auf deren Internetseite, dass man „einen passenden Rahmen für alle Arten privater und geschäftlicher Veranstaltungen” findet, u.a. für (offensichtlich subkulturelle?) „Privatfeiern, Firmensitzungen” und (stadtteilbezogene?) „Produktpräsentationen”. Mit den vorgegebenen Eintrittspreisen (3-7 Euro) ist es auch vorbei, 10 Euro kostet der Spaß am 31.3. nach vorheriger E-Mail-Anmeldung. Da wird erst der Abschluss der Veranstaltung „Abseits WM für Asylsuchende” im Sommer 2006 abgefeiert und im ersten Programmheft des Kulturhauses 73 steht noch geschrieben, dass „in Deutschland die Asylbewerber und Immigranten schnell im gesellschaftlichen Abseits stehen”. Ein gutes halbes Jahr später darf im Rahmen des Taz-Salons der ehemalige SPD-Innensenator Wrocklage zum Thema „Gewalt von Rechten und Linken, Islamisten und Polzisten” auftreten. Wir hingegen erinnern uns noch gut an Wrocklages Amtszeit in den 90ern. Er war maßgeblich für die restriktive Verschärfung der Abschiebepraxis verantwortlich. In ihrem Koalitionspapier hatten SPD und Grüne damals bereits die „konsequente” und „zügige” Abschiebung von „ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern” beschlossen. Die Beseitigung der „tatsächlichen Abschiebehindernisse”, die dadurch enstehen, dass Flüchtlinge versuchen, die ihnen noch zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen, war erklärtes Ziel. Eine besonders rigide Verfahrensweise wurde bei der Abschiebung minderjähriger Flüchtlinge installiert. Wrocklage zeichnete sich während seiner Amstzeit weiterhin dadurch aus, dass er 1996 das sogenannte „Bettlerpapier” zur Entfernung „sozial Unangepasster” aus dem Stadtbild entwarf. Zwar wurde das Bettlerpapier nie in Gänze umgesetzt, seine Direktiven werden von verschiedenen Behörden aber nach wie vor verfolgt und die Diskussion um die Einführung eines solchen ist bis heute nicht vom Tisch! Schließlich initiierte Wrocklage das „Handlungskonzept St. Georg”, das vor allem eine Zunahme von Platzverboten, Ingewahrsamnahmen und Verhaftungen gegenüber Drogenuser_innen, als Drogendealer stigmatisierte Migrant_innen und Obdachlosen in der Nähe der Visitenkarte Hauptbahnhof bedeutete. Leider haben wir diese Veranstaltung versäumt! Aber das Kulturhaus 73 lässt sich ja nicht lange bitten und schiebt gleich die nächste Unsäglichkeit hinterher. Und diesmal lassen wir uns nicht zweimal bitten! Es gab Zeiten, da war das Schanzenviertel dafür berüchtigt, alles, was nicht in ein linksorientiertes Weltbild passte, vehement abzulehnen. Dabei beließ man es nicht immer bei bloßen Worten. Es gab Zeiten, in denen rund um das Schulterblatt vor allem protestiert und nicht konsumiert wurde.

Sorgen wir dafür, dass es wieder so kommt!

Plenum der Roten Flora, März 2007

Treff: Samstag, 31. März 2007 ab 10:30 Uhr vor der Roten Flora!

Ab 16:00 Uhr gemeinsamer Umzug in die Schule Altonaer Straße 38, um den Bürgermeister entschlossen begrüßen...!

Lasst Euch was kreatives einfallen für den Tag!

für weitere lokale Infos zu Hamburg, siehe: www.bewegungsmelder.org

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