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2010-01-01

Nah am Wasser gebaut...

Diskussionsbeitrag zum Text: “Hört auf zu heulen, es hat gerade erst angefangen…” der Gruppe SDB erschienen in der Zeck Sept. 2009

Um gleich auf eure doch recht polemische Überschrift einzugehen: Wir wollen heulen, weil uns manchmal danach ist! Weil wir die Angst unserer Genoss_innen mitfühlen, weil wir Wut und Verzweiflung teilen oder selbst empfinden, weil wir Verunsicherung nicht einfach wegwischen wollen. Weil wir eben keine kalten, harten und abgestumpften “Krieger_innen” sind und (ganz pathetisch) unser Kampf noch immer Leben heißt.

Wir sehen durchaus einige der Probleme die ihr ansprecht und haben auch ein ähnliches Ziel: Das der vielfältigen und kämpferischen Solidaritat.
Leider gehen, aus unserer Sicht, eure Fragen und eure Versuche Antworten zu finden in die falsche Richtung. Wir glauben es reicht nicht aus sich schnell über alles auszukotzen und ein paar alte (und richtige) Fragen neu zu verpacken. Denn ein weiteres Mal bleibt auch in eurem Artikel unser alltägliches Handeln, aber auch besonders individuelle wie kollektive Handlungspraxen im Umgang rnit Repression dort unhinterfragt, wo das reproduzieren des Stärkekults in der eigenen Szene dazu dienen soll, dem Staat zu verrnitteln die Repression verfehle ihren Zweck, nämlich Einschüchterung, Angst und Lähmung. Doch wieso lässt sich unsere Unversöhnlichkeit nur dadurch artikulieren dass wir die Gefühlsfeindlichkeit einer herrschenden Dominanzkultur reproduzieren?

Autsch.

Unserer Meinung nach haben Genoss_Innen die Schwierigkeiten zwischen zu hohen Ansprüchen und taktischer Beliebigheit schon wesentlich treffender, im Rahrnen der Aussageverweigerungs – Diskussion, auf den Punkt gebracht.
“Der Ruf nach größerer Entschlossenheit, nach Konsequenz und Opferbereitschaft vergroßert nicht unseren Schutz, sondern produziert nur unsere “Verräter_innen”. Wenn umgekehrt der Umgang mit der Denunziationspflicht nur eine persönliche Entscheidung der Betroffenen ist, wenn unser Umgang mit staatlicher Nachforschung nur taktisch und nicht politisch bestimmt ist, dann untergraben wir die Basis jeglichen politischen Handelns, dann zerstören wir unsere Solidarität untereinander. Wie wir unsere Kämpfe kollektiv führen wollen und sollten, so muß auch unser Umgang mit der Repression ein kollektiver sein. Das soll nicht heißen das DER Verhaltenscodex entwickelt wird. Gleiches Verhalten ist ungleich für ungleiche Menschen, die in unterschiedlichen Lebenssituationen leben und unterschiedliche politische Auffassungen haben. Wir können politische Grundpositionen, die Richtung, in die unsere politische Initiative, die massenhafte Aussageverweigerung, zielt, gemeinsam entwickeln, aber nicht detailliert die einzelnen Handlungen." (Laßt sie im Trüben fischen/Diskussionspapier zur Kampagne für Aussageverweigerung 1989). Hier wurden Ansätze formuliert die wir auch auf Repression im Allgemeinen bezogen richtig finden.

In erster und leider fast einziger Linie, ruft ihr nach größerer persönlicher Entschlossenheit. Größere Entschlossenheit ist naturlich ne prima Sache, keine Frage, aber wir sind doch sehr skeptisch ob sie allein ausreichen wird.
Wir glauben nicht, dass defensives Verhalten gegenüber Repressionsorganen auf individuelle Schwächen und fehlende personliche und/oder politische Standfestigkeit zuruck zuführen ist – sondern das uns, immer wieder die gleichen Dingen auf die Füße donnern. Dazu gehort, kämpferische (und auch militante) Solidarität eben nicht mit breitbeinigem Machotum zu verwechseln, sondern als eine politische Praxis, in der sich Angst und Mut, Entschlossenheit und Zweifel nicht gegenüberstehen, sondern aufeinander beziehen. Tut uns leid, aber die Parolen vom eisernen Durchhalten und eure “Revolution ist kein Spielplatz” Vergleiche, bleiben doch nur leere Phrasen die uns weder weiterhelfen noch einen Weg aufzeigen. Vielmehr glauben wir, dass es einen solidarischen Alltag braucht um auch in Momenten der vermeintlichen Einsamkeit und Verunsicherung handlungsfähig zu bleiben. Einen Alltag in dem für uns erlebbar und spürbar wird, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Das ist, zugegeben, ein verdammt langer Weg und wir sind nicht die Ersten die sich auf ihm versuchen aber es gibt auch mehr zu gewinnen als Durchhalteparolen.
Dabei empfinden wir, bei aller Kritik, euren Diskussionsanstoss als gute Grunlage für eine weitere Auseinandersetzung.

Ohne Abschlußparolen aber dafür mit Gruß und Kuss
Autonome Seefahrer_innen

PS.: Thomas aus der RZ in einem Absatz für seine Einlassungegenüber der Justiz abzukanzeln, empfinden wir als ziemlich undifferenziert. Wenn sich nach 18 Jahren Lebens- und Kampfrealitäten ändern, ist das für uns vielleicht unverständlich, aber auch hier sehen wir die Probleme eher in einer wenig solidarischen Bewegung, als im Verhalten von Thomas.

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