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2006-07-17

Volksgemeinschaft statt Klassenkampf

[http://de.indymedia.org/2006/07/152540.shtml]

Sie wird "Antikap-Kampagne" betitelt, jene Aktionsreihe von Rechtsextremen, in deren Rahmen z.B. am 22. Juli in bis zu zehn Gemeinden in der Odenwaldregion kleinere und größere Aufmärsche durchgeführt werden sollen. Wie schon die historischen Nazis, so bedienen sich auch die modernen Rechtsextremisten ungeniert und vor allem ungefragt bei linken Ideengebern.

Dem zentralen Papier der ultrarechten Antikap-Kampagne, betitelt „Zukunft statt Globalisierung“ (ZsG), können wir daher einige linke antikapitalistische Binsenweisheiten, halbverstandene Theoriebrocken, aber auch immer wieder entlarvende Formulierungen entnehmen.

Natürliche Nationen und Spekulanten

So schwadronieren die ungenannten Autoren über „natürlich gewachsene Nationen“ (alle Zitate, soweit nicht anders vermerkt, aus ZsG), als ob eine Nation in der Natur wächst und kein historisches Gebilde ist, das meist aus zusammen geraubten ehemaligen adligen Einflussgebieten entstand. Der Nationalstaat mag derzeit notwendiger Fakt sein, - das merken die, die als Staatenlose gelten oder jene Gruppen, die keinen eigenen Schutzstaat haben (z.B. die Kurden); der Endgedanke menschlicher Entwicklung ist der Nationalstaat aber sicherlich nicht. Und wenn die deutsche Nation von deutschen Rechtsextremen als „sozialer Schutzraum“, gar als „sozialistische Festung“ (!) gewertet wird, dann ist dies höchst zynisch: Man denke an die 130 Menschen, die von Nazis seit der Widervereinigung umgebracht wurden und für die Deutschland alles andere als ein Schutzraum war; und historisch ist an jene Millionen zu erinnern, die für die Nation leiden und sterben durften, ob in der Fabrik oder im Krieg.

Den „Völkern“ wird in ZsG vor allem der „Spekulant“ als Feind gegenübergestellt. Und dieser Spekulant bezeichnet so etwas wie das so genannte raffende Kapital, also die Juden. Einen „nomadischen Händlergeist“ wollen die ZsG-Autoren zudem ausgemacht haben. Auch hier verklausulieren sie ihren Antisemitismus nur wenig, galt doch auch ihren Vorgängern der Jude als unsteter, heimatloser Händler. Wenn dann noch über die „Ostküste der USA“ als Hauptsitz des bösen Kapitals geschrieben wird, dann haben wir die antisemitischen Stereotypen fast beieinander, verbreitete doch schon Propagandaminister Goebbels, dass das böse jüdische Kapital in den USA residiert.

Der Kapitalismus sei dabei, „alle geschlossenen Gemeinschaften in offene Gesellschaften zu verwandeln“. Ja, wenn er dies denn täte! Man müsste ihn dafür loben. Aber die Nationalstaaten als abgeschottete Einrichtungen bleiben trotz Globalisierung erhalten und befördern Rassismus und Ausgrenzung, also das, was es nach Meinung der Autoren nicht gibt, da bei ihnen die „Gefahren von Nationalismus und Rassismus“ nur von „Meinungsführern“ eingeimpfte Lügen sind.

Autarkie und Raumstörer

Auch der alte Autarkiegedanke macht sich wieder breit: „Die nationale Selbstversorgung der Völker“ werde zerstört, so wird bemängelt. Als ob ein Land wie die BRD sich überhaupt auch nur annähernd selbst versorgen könnte. Wir sind auf Gedeih und Verderb auf den Weltmarkt angewiesen, was an sich auch nichts Schlechtes ist und woran nicht wenige bei uns ihr Einkommen haben. In jedem Fall ist die Behauptung, „der Lebensraum eines Volkes ist zugleich sein Nahrungsraum“ blanker Unsinn. Komplexe Gesellschaften wie die der BRD sind immer auf Austausch angewiesen.

Wie aber die „Asylanten“ (das herablassende Wort für Flüchtlinge) die Tarifsysteme aushöhlen sollen, wo sie doch nicht arbeiten dürfen, das wird das ganz große Geheimnis der ZsG-Autoren bleiben. Apropos Migration: Mit dieser beschäftigen sich die rechtsextremen Autoren nur zu gerne. Nach ihrer Meinung führen die Einwandernden bereits einen Krieg gegen die Einheimischen, „nicht mit Panzerwagen, sondern mit Kinderwagen“. „Zivilokkupanten“ seien sie daher, „Raumstörer und Raumschmarotzer“, die „im Interesse des Kapitals“ die sozialen Standards zerstören. Eine schöne Entlastung für die Kapitalisten, liegt der Schwarze Peter doch jetzt bei den „heimatlosen Nomaden“. Entlarvend sind aber insbesondere die hasserfüllten, abwertenden Begriffe für die Zuwandernden. So wird indirekt zu Gewalttaten aufgerufen.

Dass trotz teils sinkender Kriminalitätsstatistiken in ZsG von einer „Kriminalitätsexplosion“ gesprochen wird, – Schwamm drüber, das ist nur ordinäres Stammtischniveau.

Wurzelhafte Volksgemeinschaft und antiimperialistische Abwehr

Selbstverständlich darf auch die „Volksgemeinschaft“ unseligen Angedenkens nicht fehlen. Sie soll „wurzelhaft, homogen und bodenständig“ sein, was entweder einen Witz oder eine furchtbare Drohung darstellt. Homogenität ist nur als Unterdrückung abweichender Meinungen und Lebensweisen denkbar, Bodenständigkeit riecht bestenfalls nach Schrebergartenidylle und die Wurzelhaftigkeit ist blanker Nonsens!

Unklar bleibt verständlicherweise, wie sich die gewünschte homogene Volksgemeinschaft herleiten soll. Historisch geht das nicht, war das heutige Deutschland doch spätestens seit der Völkerwanderung beständiger Zuwanderung ausgesetzt, es besteht also gerade keine Gleichförmigkeit. Demnach kann diese Homogenität wohl nur überhistorisch, quasi esoterisch begründet werden.

Wenn der „Eurasische Block der Völker“ als „Element der antiimperialistischen Abwehr“ (also gegen die USA) definiert wird, so müssen wir dahinter wieder einmal – momentan noch stark verklausuliert – militärische Ambitionen zum Erringen der Vorherrschaft vermuten. Ein Europa unter deutscher Führung soll wohl jetzt endgültig Supermacht werden.

Insgesamt treffen wir in dem ZsG-Papier mit seinen gut acht Textseiten auf die zwischenzeitlich gewohnte Mischung aus nur unvollständig verstandenen richtigen (bei der Linken entwendeten) Gedanken, auf eine Kapitalismuskritik, die den Kapitalismus nicht abschaffen und – soweit inländisch – nicht einmal einschränken will, sowie auf eine Blindheit in wesentlichen Fragen. Stattdessen bieten die Rechtsextremen einen überhöhten Nationalstaatsgedanken gepaart mit Rassismus, Antisemitismus und unhistorischem Raunen über die Deutschen als homogene Masse.

NS-System und heutige Rechtsextreme

Die Anleihen bei den historischen Nazis, also beim NS-System sind nicht zu übersehen, weshalb ein Blick in die Geschichte Klarheit bringen kann. Denn der vermeintliche Antikapitalismus der NSDAP äußerte sich zwar in dem Begriff NationalSOZIALISMUS und der Behauptung, man hätte eine Revolution gemacht; dies führte in der Praxis aber zu höchst anti-antikapitalistischen Ergebnissen:

Die Volksgemeinschaftsideologie leugnete den Zerfall der Gesellschaft in Klassen und Klasseninteressen und propagierte stattdessen den dümmlichen Gegensatz von angeblich schaffendem und raffendem (jüdischem) Kapital: Der mörderischen Antisemitismus wurde auch hiermit begründet. Denn nicht ein fehlerhaftes System, sondern konstruierte Rassen wurden als Problemursachen ausgegeben.

Die ersten Opfer der Nazis waren jene Kräfte, die konsequent für die Rechte der Beschäftigten eintraten, also Sozialisten und Gewerkschafter. Bereits am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften verboten, die Eirichtungen der organisierten Arbeiter enteignet und Gewerkschaftsmitglieder inhaftiert, gefoltert, ermordet, die tariflichen Rechte in der Folgezeit abgeschafft, Lohnsenkungen durchgeführt.

Gleichzeitig wurden die Kapitalisten zu Betriebsführern ernannt und ihnen damit eine höhere Weihe, ein besondere Stellung innerhalb des Führerkultes der Nazis erteilt. Jene Kräfte innerhalb der NSDAP, die an den sozialistischen Propagandaforderungen festhielten, wurden vertrieben oder ermordet (Röhm, Strasser etc.) und damit auch der letzte pseudo-sozialistische Ballast über Bord geworfen.

Der angebliche Antikapitalismus der NSDAP gipfelte schließlich in einem Krieg, der der deutschen Industrie Rohstoffquellen, billigste Arbeitskräfte und neue Märkte bringen sollte. Und in diesem Krieg zeigte sich auch schon der Globalisierungsgedanke, der dem deutschen Faschismus eigen ist: „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“, wie es in einem Nazilied heißt.

Die heutigen Rechtsextremisten hoffen, wieder einmal gebraucht zu werden, wenn der Neoliberalismus (also der Kapitalismus in der heutigen Form) zu mehr Verwerfungen und Unruhen führen wird, bieten sie doch erneut einen Antikapitalismus, der auch Kapitalisten schmecken kann!

Weitere Infos:
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