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08.02.2009

Gemeinsam über die Kriege entscheiden

Ergebnisse der Münchner "Sicherheitskonferenz": Neuer NATO-Kriegskonsens: Mitkämpfen und mitreden! - Militarisierung der EU noch stärker forcieren

1. Wer mitkämpft darf auch mitreden, neuer Ton in den transatlantischen Beziehungen

Der als erster "außenpolitischer Aufschlag" der neuen US-Regierung angekündigte Auftritt von Vizepräsident Joseph Biden hatte es bei näherer Betrachtung in sich. In seiner Grundsatzrede schlug er nicht weniger als eine Runderneuerung der Beziehungen zwischen den USA und der Europäischen Union vor. Bei der demonstrativ zur Schau gestellten transatlantischen Aufbruchsstimmung handelte es sich jedoch keineswegs um ein reines Wohlfühlprogramm, sondern um knallharte Interessenspolitik. Angesichts ihrer schweren wirtschaftlichen Probleme wollen die USA die Lasten der Weltordnungskriege noch stärker auf die EU-Staaten verlagern.

Im Austausch hierfür bieten sie an, künftig EU-Interessen in deutlichem größerem Umfang als in den Jahren unter George W. Bush zu berücksichtigen. Im Kern lautet der "Transatlantische New Deal" also folgendermaßen: Wenn die Europäer künftig adäquat mitkämpfen, dürfen sie auch substanziell mitreden. Ihren institutionellen Niederschlag soll diese "Neue Transatlantische Partnerschaft" in einer gestärkten NATO finden.

Die USA seien "entschlossen, einen neuen Ton einzuschlagen", so Biden. "Die USA werden mehr tun, aber die USA werden auch mehr von ihren Partnern verlangen. [...] Wir bitten unsere Verbündeten, ihre eigenen Ansätze zu überdenken - einschließlich ihrer Bereitschaft Gewalt anzuwenden, wenn alles andere fehlschlägt." Das ist eine klare Ansage an die Adresse der EU-Verbündeten, künftig noch häufiger auf die militärische Karte zu setzen als dies ohnehin schon der Fall ist.

Genauso äußerte sich NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, der die EU-Staaten scharf kritisierte, zu wenig militärisch beizutragen, schließlich sei die NATO eine "Zwei-Bahn-Straße." Man könne nicht erwarten, mehr mitreden zu wollen, ohne auch adäquat mitzukämpfen.

2. Verschärfung des Krieges in Afghanistan

Der Lackmustest der NATO ist und bleibt Afghanistan. James Jones, Sicherheitsberater von Barack Obama, sagte, die NATO könne sich nicht erlauben in Afghanistan zu scheitern. General David Petreus beschrieb nach Angaben des Focus die neue Linie für Afghanistan so: "Mehr von allem wollen die Amerikaner. Mehr Soldaten, mehr Investitionen in zivile Projekte." Petreus sagte: "Es wird weder einfach noch billig, ein langer Kampf steht bevor". Der US-General forderte alle Länder auf, mehr in den Krieg in Afghanistan zu investieren, finanziell und militärisch: "Mehr Logistik, mehr Aufklärung, mehr Flugzeuge, mehr Informationseinheiten. Das ist von essentieller Bedeutung." Jones stellte nochmals klar, dass es in Afghanistan um Aufstandsbekämpfung geht. Er sprach davon, dass das Drogengeschäft als "ökonomischer Treibstoff des Aufstandes" bekämpft werden müsse.

Das alles bedeutet vor allem eine Verschärfung des Krieges in Afghanistan mit mehr us-amerikanischen Truppen und mehr europäischen, also auch deutschen Truppen, begleitet durch noch mehr zivil-militärische Zusammenarbeit, oder nach dem neuen Lieblingswort von Angela Merkel, mehr "vernetzte Sicherheit". Am Rande der Konferenz kündigte Verteidigungsminister Franz-Josef Jung Berichten zufolge bereits an, Deutschland werde mehr Soldaten für die Schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force) bereitstellen, die im Norden Afghanistans für die Aufstandsbekämpfung zuständig ist.

3. Verschärfte Militarisierung der EU

Einig war man sich auf allen Seiten, dass die Militarisierung der Europäischen Union fortgesetzt werden müsse - dies wurde auch von Biden explizit begrüßt -, da dies auch zu einer Stärkung der NATO beitrage. Genau so argumentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in ihrer Rede die "rasante Entwicklung" der EU-Militärkomponente lobte, gleichzeitig jedoch auch ankündigte, dass dieser Prozess weiter forciert werden müsse, u.a. durch die Annahme des Lissabonner Vertrages: Merkel sagte: "Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist jetzt etwa zehn Jahre alt. Sie hat eine ziemlich rasante Entwicklung genommen und sie wird institutionell gekräftigt werden, wenn wir den Lissabonner Vertrag - endlich, sage ich - ratifiziert haben werden und die Aufgaben der Außen- und Sicherheitspolitik des Rates - das heißt, der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - und der Kommmission in eine Hand bzw. zu einer Person kommen."

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy artikulierte die Machtanspüche Frankreichs und der EU noch deutlicher: Ein Verzicht auf alle Atomwaffen sei kein Ziel, Frankreich werde an seinen Atomwaffen festhalten.

Außerdem war Sarkozy ganz stolz, dass erstmals deutsche Soldaten in Frankreich stationiert werden sollen. In Strasbourg-Illkirch wird ein zusätzlicher deutsch-französischer Kampfverband mit 500 Soldaten aufgestellt, der der deutsch-französischen Brigade zugeordnet wird.

4. Stärkere Zusammenarbeit EU-NATO, neues strategisches Konzept der NATO

Merkel: "Ich sehe die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik als eine neue Form der Kooperation mit der NATO. Nicht mehr jeder einzelne Mitgliedstaat bringt sich nur alleine ein, sondern an einigen Stellen bringt sich auch die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik in die NATO ein. Das heißt, wir haben die Möglichkeit, durch die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik unser Bündnis, die NATO, stärker zu machen."

Dies straft alle Lügen, die immer noch davon reden, EU und NATO hätten nichts miteinander zu tun.

Angela Merkel benannte in ihrer Rede Eckpunkte für das neue "Strategische Konzept" der NATO. Zentral ist für sie die Idee der "vernetzten Sicherheit", so sollen u.a. zivile Akteure stärker auch für NATO-Militäreinsätze nutzbar gemacht werden.

Barack Obamas Sicherheitsberater James Jones gab am Rande der Konferenz die Richtung vor, indem er eine "bewegliche Allianz" forderte, die künftig "proaktiv" agieren müsse.

5. Neuer Kalter Krieg? - Raketensystem wird - wenn technisch und finanziell machbar - weiterverfolgt

Ein weiterer zentraler Aspekt auf der Konferenz waren die Beziehungen zu Russland. Auch hier verbargen sich hinter blumigen Floskeln harte machtpolitische Auseinandersetzungen. So dürfte Russland wenig begeistert von Bidens Klarstellung gewesen sein, die US-Raketenabwehr werde gebaut, sollte sie technisch und finanziell realisierbar sein. Vor allem an der von Russland unmissverständlich als "rote Linie" bezeichneten Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO soll weiter festgehalten werden. Insbesondere Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich in dieser Hinsicht überdeutlich: "Auch die Ukraine und auch Georgien werden Mitglieder der NATO sein." Außerdem, so die Bundeskanzlerin, könne es nicht angehen, dass Dritte in eine solche Entscheidung hineinreden. Damit sind die nächsten schweren Konflikte jedoch bereits vorprogrammiert.

6. Die NATO steht für Krieg - NATO abschaffen!

Die erfolgreichen Proteste in München waren der gelungene Auftakt für die Proteste gegen den NATO-Gipfel Anfang April.

Die Münchner "Sicherheitskonferenz" hat einmal mehr deutlich gemacht, dass die NATO für nichts anderes als für Krieg steht. Dies ändert sich auch nicht mit der neuen US-Regierung - im Gegenteil!

Auf ihrem Frühjahrsgipfel am 3./4. April will die NATO ein umfassendes Militarisierungsprogramm auf den Weg bringen, hierfür wurde in München der erste Aufschlag gemacht.

Für die Friedens- und Antikriegsbewegung sind die erfolgreichen Proteste mit einer Demonstration von über 6.000 Menschen gegen die Münchner Sicherheitskonferenz der erste Aufschlag, um nun mit diesem Rückenwind die Mobilisierung für die Demonstrationen gegen den NATO-Gipfel im April weiter anzugehen.

Tobia Pflüger

Source: http://www.imi-online.de/2009.php3?id=1886