FREIBURG. Vor kurzem wollte man in Blumberg den Bau eines neuen Bahnübergangs einstellen. Begründung: Die Straße müsse wegen des Nato-Gipfels in Kehl/Straßburg freibleiben. Südbadens Polizeipräsident Bernhard Rotzinger kann darüber nur leicht gequält lächeln. Er mag diese überdimensionierten Vorstellungen nicht, die in der Region über das Natotreffen am 3. und 4. April nächsten Jahres herumgeistern. Doch auch sein Dienstvorgesetzter, Landespolizeipräsident Erwin Hetger, spricht vom "größten Polizeieinsatz in der Geschichte Baden-Württembergs".
Der Bahnübergang in Blumberg kann gebaut werden: Dorthin wird sich kein Konvoi des Nato-Ggipfels verirren, da ist sich Rotzinger sicher. Im engeren Bereich aber plant die Polizei bereits die offiziellen Fahrtrouten für die Politprominenz aus rund 30 Staaten, dazu Ausweichrouten, falls Störer die vorgesehene Strecke sperren, aber auch Straßenverbindungen für den Notfall. Daher hatte sie alle badischen Gemeinden gebeten, sie über Straßenbaustellen zu informieren. Doch auch im Rathaus von Gundelfingen hatte man den Brief so verstanden, dass die Kreisstraße im Ort nicht aufgegraben werden darf. Irrtum, sagt Rotzinger: "Die Bürgermeister müssten einfach nur bei uns anrufen, dann bekommen sie Auskunft."
Dabei weiß Rotzinger selbst noch nicht so genau, was auf ihn und seine Leute – von 15 000 bis 20 000 Polizisten ist die Rede – zukommt. Weder ist klar, wie viele Delegationen anreisen, noch steht deren Verteilung auf die Hotels in und um Baden-Baden oder Straßburg fest. Wo Barack Obama, für den die höchste Gefährdungsstufe gilt, landen wird, wo er schlafen, wo öffentlich auftreten wird, ist ebenfalls unbestimmt: Der neue US-Präsident muss erst ins Amt eingeführt werden, ehe solche Entscheidungen fallen können. Seine Voraustrupps werden Ende Januar in Baden-Baden erwartet, um das richtige Hotel zu suchen.
Nicht einmal der Ablauf des Jubiläumstreffens ist bis ins Detail festgelegt – "und wenn etwas festgelegt ist, dann kann es sein, dass das morgen nicht mehr gilt", sagt Rotzinger. Denn es reden viele mit – in einem großen Netz von Zuständigkeiten, das hinaufreicht bis zu Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy. Rotzinger und sein 80-köpfiger Stab müssen sich an deren Entscheidungen halten. So hatte sich die Polizeiplanung, die in engem Kontakt mit den französischen Kollegen erfolgt, bis zum 14. Oktober auf Kehl konzentriert. Dann entdeckte das Auswärtige Amt, dass es in Kehl keine geeigneten Räume gibt. Seither kümmert sich die Polizei um Baden-Baden.
Inzwischen steht ein grober Ablauf fest. Das Kurhaus von Baden-Baden dürfte am Freitag das Zentrum bilden mit Konzert und anschließendem Abendessen der Gipfelteilnehmer. Danach fährt der eine Teil nach Straßburg, der andere übernachtet in Baden-Baden. Am Samstagvormittag will man sich am Rhein treffen. Kehl soll nun doch eine, wenn auch deutlich kürzere Veranstaltung bekommen – irgendwo im Bereich der Mimram-Fußgängerbrücke. Dann eilen die Teilnehmer zur eigentlichen Festveranstaltung zum 60-jährigen Nato-Bestehen weiter ins Straßburger Kongresszentrum. Dort endet am Nachmittag der Gipfel. Dann fliegt jeder wieder in seine Hauptstadt zurück: von Straßburg aus, andere von Söllingen, vielleicht einige auch von Lahr. Und immer wird die deutsche oder französische Polizei sie begleiten. "60 Jahre Nato – das hat schon einen hohen Symbolwert", sagt Rotzinger mit Blick auf die, wie es im Polizeideutsch heißt, "hohe abstrakte Gefährdung" durch Terroristen. Wer von den internationalen Gästen – an der Spitze jeweils Staatschef, Außen- und Verteidigungsminister – sich in dieser Zeit wie wo bewegt: Das wird auf höchster Ebene zwischen Frankreich und Deutschland als Gastgebern und der Nato ausgehandelt.
Auch die Gipfelgegner planen bereits ihren Einsatz
Rotzinger, der von Freiburg aus den Polizeieinsatz leiten wird, weiß vieles noch nicht und darf manches, was er weiß, nicht sagen. Aber er weiß und sagt es auch, dass die Gipfelgegner sich gleichfalls auf die Tage in Baden-Baden und Straßburg vorbereiten – wie man im Internet nachlesen kann. Doch Rotzinger sagt schon heute: "Es wird nicht so wie in Heiligendamm." An der Ostseeküste war der G-8-Gipfel 2007 mit hohen Zäunen abgesperrt worden. In Baden-Baden werde es auch keine Mainzer Zustände wie beim Besuch von George Bush 2005 geben – wenngleich die Sicherheitsanforderungen des Secret Service für Präsident Obama kaum geringer ausfallen dürften.
In den nächsten Monaten will Rotzinger mit seinem Stab klären, wie man das zu erwartende Nebeneinander von Störern, friedlichen Demonstranten und jenen Menschen, die Obama einfach nur sehen und zujubeln wollen, regeln kann. Vieles wird im Fluss bleiben bis wenige Tage vor dem Treffen. Eines zeichnet sich aber schon jetzt ab: Der Verkehr auf den Straßen zwischen Karlsruhe und Lahr, dem Kerneinsatzgebiet, wird an den beiden Tagen stark beeinträchtigt sein. Rotzinger setzt auf großräumige Umleitungen insbesondere für die Autobahn A 5. Denn just am Freitag starten in neun nördlichen Bundesländern viele Menschen in die Osterferien – mit den Alpen und Italien als einem Hauptziel.
Source: http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/es-wird-nicht-so-wie-in-heiligendamm--9395564.html