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2006-06-20

Junge Welt : "Keine Debatte, wie man Kräfte bündeln könnte"

Junge Welt 20.6. 2006

“Keine Debatte, wie man Kräfte bündeln könnte”

Gegengipfel, Sozialforum und Protestcamps zum G-8-Treffen Mitte Juli in St. Petersburg geplant. Kaum Zusammenarbeit der politischen Strömungen. Ein Gespräch mit Wladlen Tupikin

Wladlen Tupikin arbeitet in Moskau in einen Netzwerk anarchistischer und antiautoritärer Gruppen, das sich an den Vorbereitungen der Proteste gegen den G-8-Gipfel Mitte Juli im russischen St. Petersburg beteiligt

Vom 15. bis zum 17. Juli werden sich in St. Petersburg die Staats- und Regierungschefs der USA, Japans, Kanadas, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Großbritanniens und Rußlands treffen. Was ist an Protesten geplant?

Ab 9. Juli wird es einen Gegengipfel geben. Bestandteil der Veranstaltung wird unter anderem das zweite russische Sozialforum am 14. Juli sein, zu dem wir etwa 1000 Teilnehmer erwarten. Das erste fand im Frühjahr 2005 statt. Für den 15. Juli ist dann eine große Demonstration geplant, und es wird auch Protestcamps geben. Wo die Demo genau stattfindet ist noch unklar, aber sicher ist, daß das gesamte Stadtzentrum abgesperrt sein wird.

Darüber hinaus sind weitere Konferenzen geplant. Umweltorganisationen werden ein Treffen zu Fragen der Energiepolitik organisieren, und die Union der koordinierten Räte lädt zu einer Versammlung ein. Das ist eine sehr junge Organisation, die im Frühjahr 2005 aus den Kämpfen gegen die neue Wohnungsbaupolitik der russischen Regierung entstanden ist. Schließlich wird es auch viele Straßenaktionen geben, aber das wird von kleineren radikalen Gruppen spontan organisiert. Darüber gibt es bisher keine Informationen.

Was ist das Besondere an der neuen Wohnungsbaupolitik?

Der Widerstand richtet sich gegen ein neues Gesetz, das im vorigen Jahr verabschiedet wurde. Dabei geht es nicht nur um die Wohnungen selbst, sondern auch um Fragen der Versorgung mit Strom, Wasser und Wärme. Nachdem bereits die staatlichen Wohnungen für die Privatisierung freigegeben wurden, soll nun auch die kommunale Energie- und Wasserversorgung privatisiert werden. Die Mieter können nun mit privaten Unternehmen Lieferverträge abschließen oder sich ihre Versorgung selbst organisieren. Allerdings sind nur sehr knappe Übergangsfristen vorgesehen, so daß die Bürger keine Zeit haben, sich ausreichend zu informieren. Dennoch sind Selbstverwaltungsstrukturen entstanden, die sich jetzt in der Union der Räte organisieren. Sie haben jedoch mit erheblichem Widerstand der Behörden zu kämpfen. Letzteres liegt unter anderem daran, daß nicht selten Angestellte der staatlichen Versorgungsunternehmen gleichzeitig private Unternehmen in diesem Bereich aufbauen und den Bürgern ihre Bedingungen diktieren wollen.

Zurück zu den Protesten in St. Petersburg: Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Strömungen der Linken?

Eine Zusammenarbeit gibt es kaum. Das ist heute eines der Grundprobleme der sozialen Bewegungen Rußlands. Erst vergangene Woche hat es ein Vorbereitungstreffen für das Sozialforum gegeben. Eine Freundin, die daran teilgenommen hat, berichtete, daß es praktisch kein gemeinsames Programm gibt. Alles wird nebeneinander gestellt. Es gibt keine Diskussion darüber, wie man die Kräfte vereinigen könnte. Auch scheint das Programm des Forums inhaltlich eher dürftig auszufallen. Im vorigen Jahr war das noch ganz anders. Da profitierte das Sozialforum erheblich von der Protestwelle gegen die sogenannte Monetarisierung der Vergünstigungen. Bis vor eineinhalb Jahren hatten Rentner, Veteranen und andere einkommensschwache Gruppen viele Leistungen wie Medikamente, öffentlichen Nahverkehr und anderes kostenlos oder ermäßigt nutzen können. Das wurde abgeschafft. Statt dessen werden finanzielle Beihilfen gezahlt, die jedoch nur etwa ein Drittel des Nötigen abdecken. Dagegen hatte es starke Proteste gegeben, und diese Bewegung hat seinerzeit auch das Sozialforum beflügelt. In diesem Jahr haben zwar viele ihre Teilnahme zugesagt, aber es fehlt an einem gemeinsamen Konzept. Ähnliche Erfahrungen haben wir übrigens mit dem Internetforum Indymedia in Rußland gemacht. Vor fünf Jahren sind wir angetreten, um den verschiedenen Umweltgruppen, Gewerkschaften, sozialen Initiativen eine gemeinsame Plattform zu bieten. Aber Zusammenarbeit hat sich bisher leider kaum entwickelt.

Junge Welt 20.6. 2006

links:

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external link www.badespasz.tk  [Ausführlicher Pressespiegel rund um Heiligendamm]
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