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24.05.2007

1 NDR Info / Das Forum / 08.05.2007

Instrumental-Musik drunterlegen bis Ende des 2. O-Ton

PR-Managerin Frauke Müller präsentiert den Wellness-Bereich des Grandhotels Kempinski am Meer. Dort, wo Merkel, Bush, Putin und Co. Anfang Juni flanieren werden. 3000 Quadratmeter stehen ihnen dann im sogenannten Severin-Palais nur für die Entspannung zur Verfügung.

Nach der Wende 1989 war zunächst unklar, was aus dem einst mondänen Adelsbad, das zu DDR-Zeiten den Werktätigen Erholung bot, werden sollte. Erst 1996 bekam die Fundus-Gruppe des Investors Anno August Jagdfeld den Zuschlag.

Event. Musik drunter legen bis Ende des vierten O-Ton)
Gern erzählt Johannes Beermann, Sprecher der Fundus-Gruppe, die Geschichte von der Vision, die sein Chef, Anno August Jagdfeld, hatte. Die Vision, die weiße Stadt am Meer, das alte Heiligendamm, wieder neu entstehen zu lassen.

Musik kurz hochziehen, reißt ab oder leiert aus)
Von dem „Adelsbad der Bäder“ ist 17 Jahre nach der Wende und elf Jahre, nachdem Fundus die alten Villen des Ortes aufgekauft hat, nicht viel zu sehen.

Straße, Verkehrsgeräusche

1:03:30 Heiligendamm hatte umfassende Infrastruktur, mehrere große Betriebe, zum Beispiel das damalige Sanatorium für Werktätige mit über 230 Mitarbeitern, am Ort war eine Fachschule für angewandte Kunst, die 100 Studenten hatte, es war ein Alten- und Pflegeheim da (…) als Betrieb war eine Wasserwirtschaftsdirektion angesiedelt, viele Gaststätten und alle Dinge des täglichen Bedarfs konnten sie kaufen.

1:25:55: ich weiß, dass sie vorwiegend mit Auszubildenden arbeiten. Die vielen, vielen Arbeitsplätze, die sie immer angeben, sind vorwiegend Azubis.

Heiligendamm – das ist das Grandhotel am Meer mit seinen historischen Gebäuden, das ist die sogenannte Perlenkette, ein Ensemble klassizistischer Bauten direkt in Strandnähe; Heiligendamm – das ist aber auch der Ort jenseits der Hauptstraße und der Bahnlinie, der von zahlreichen alten Villen durchzogen ist. Villen, die heute baufällig und heruntergekommen aussehen, und die leer stehen. Heike Ohde, Architektin aus Bad Doberan, arbeitet in der Bürgerinitiative Heiligendamm mit und gehört zu den schärfsten Kritikerinnen der Fundus-Gruppe.

Von den 1000 Einwohners Heiligendamms Anfang der 90er Jahre sind nur noch 250 geblieben.

34:50 für einen Ortsansässigen hat sie sich verändert dahingehend, dass der Ort kein Ort mehr ist, sondern nur noch eine Möglichkeit zu wohnen. Es gibt keine Geschäfte mehr, es gibt keine Gaststätten mehr, es gibt keine Infrastruktur mehr,
39:00 das ist aber nicht das, was ich unter dem ältesten deutschen Ostseebad verstehe. Ich denke, dazu gehört auch die Verpflichtung, dass man sich weltoffen zeigt, dazu gehört auch besucheroffen und dazu gehört auch ein Klientel unter 5-Sterne-Plus. Das heißt ja nicht, jeder, der nicht 5-Sterne-Plus bereit ist zu zahlen, ist es nicht würdig, nach Heiligendamm zu kommen.
Johannes Beermann weist den Vorwurf, der Ort sei nicht entwickelt worden, zurück. Der Fundus-Sprecher betont lieber das Erreichte: den Komplex des Kempinski Grandhotels, der für 200 Millionen Euro restauriert worden sei.

Dampflok Molli (Hintergrund)

Wellen am Strand

Obwohl einst im Grundlagenvertrag zwischen der Stadt Bad Doberan und der Fundus-Gesellschaft festgelegt wurde, dass die öffentlichen Wege nicht privatisiert werden sollten, hat die zuständige Kommune inzwischen mit knapper Mehrheit die Wünsche der Investoren nach mehr Abgeschiedenheit erfüllt. Nach und nach wurden immer mehr öffentliche Wege privatisiert. Der Bürgermeister von Bad Doberan, Hartmut Polzin, über den Rückzug der Kommune.

Letzter Streitpunkt: die Hauptstraße, die Professor-Dr.-Vogel-Straße, die parallel zum Strand verläuft, soll nun auch noch privatisiert und dem Hotel zugeschlagen werden. Diese Abschottung des Hotelareals hält Wolfgang Illert für das falsche Signal. Er ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Brandenburgischen Schlösser-Gesellschaft.

Im Januar rückten in Heiligendamm die Abrissbagger und Planierraupen an: ihr Ziel – die sogenannte „Perle“, das Eckhaus der sieben historischen Strandvillen von Heiligendamm, die ebenfalls der Fundus-Gruppe gehören. Das Gebäude sei von der Substanz zu schlecht gewesen, begründete Fundus die Abrissentscheidung. Zudem würde an dieser Stelle die Pressetribüne für den G-8-Gipfel errichtet werden.
Danach sollen die „Perle“ sowie zwei andere Villen wieder stilgerecht aufgebaut werden, dann allerdings unterkellert und vergrößert.
Geplant war ursprünglich etwas Anderes: In dem Grundlagenvertrag zwischen der Stadt Bad Doberan und dem Investor wurde im September 2002 festgehalten, dass „die Sanierung der nicht zum Grandhotel gehörenden Gebäude zeitnah nach der Fertigstellung des Grandhotels zu beginnen“ habe. Die Villen sollten bis zum 31.12. 2005 saniert sein. Bislang ist das allerdings keines der Gebäude – stattdessen nun der Abriss.
Auch die Denkmalschützer in Mecklenburg-Vorpommern haben dem Abriss der „Perle“ sowie zwei weiterer Villen zugestimmt. Es besteht zwar ein „Bereichsschutz“ für das gesamte Ensemble, aber kein Schutz für die drei Einzeldenkmale. Und der Ensembleschutz bleibe gewahrt, wenn die drei Villen äußerlich baugleich wieder neu errichtet würden, so die Argumentation.
Dass der Abriss überhaupt genehmigt wurde, darüber ist allerdings der Vorsitzende der Bundesstiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow, äußerst verärgert. Er spricht von „politischem Druck“, dem die Denkmalschützer vor Ort nicht standgehalten hätten – bezeichnet den Abriss der „Perle“ als „schändliche Tat“.
Aber auch das Grandhotel in Heiligendamm macht Sorgen, schreibt auch im vierten Jahr seines Bestehens noch keine schwarzen Zahlen. Fundus-Sprecher Johannes Beermann wiegelt trotzdem ab:

1:08:45: Da sind wir sehr zuversichtlich. (…) Jedes Hotel hat eine Anlaufphase (….) Die Anlaufphase hat etwas länger gedauert, als wir uns das gedacht haben, aber in diesem Jahr werden wir einen entscheidenden Schritt nach vorne kommen.

Die Veränderungen, die Benkenstein vorschlägt, zielen auf mehr Service wie zum Beispiel eine Standbewirtschaftung und zusätzliche Angebote wie ein Tagungszentrums oder einen weiteren Golfplatz.

Das sieht auch Wolfgang Illert von der Brandenburgischen Schlössergesellschaft so. In Deutschland verfügten knapp 800.000 Menschen über ein Vermögen von mehr als eine Million Euro. Da sei der Markt für einen sogenannten High-End-Tourismus durchaus vorhanden.

Das weiß auch Fundus-Sprecher Johannes Beermann. Deshalb will das Hotel künftig auf Angebote setzen, die nicht vom Sonnenschein abhängig sind.

Das Problem: Die Pläne sind schon mehrere Jahre alt, denn wie für die Sanierung der Villen fehlen Fundus und der Tochtergesellschaft vor Ort, der ECH, das Geld für die Umsetzung der Pläne. Prof. Benkenstein:

Er sieht die ECH und den Hotelbetreiber unter erheblichen Druck:

Der Fonds Nr. 34, Heiligendamm, ist nur einer von Jagdfelds Fonds und Projekten. Auf seiner Liste der geschlossenen Immobilienfonds steht auch das Adlon-Hotel am Brandenburger Tor, die Nobel-Shoppingmall Quartier 206 an der Berliner Friedrichstraße, das City-Center in Hamburg-Steilshoop, das Bürohochhaus Pyramide in Berlin-Marzahn sowie das Gutenberghaus in Leipzig. Die Pyramide musste bereits verlustreich verkauft werden und beim Projekt Gutenberghaus klagen Anleger, die sich von Jagdfeld verschaukelt fühlen. Nun scheint auch der Heiligendamm-Fonds in Bedrängnis zu kommen. Menard Fuchsgruber:

Das bedeutet: die Bank hat kein Vertrauen mehr in die Perspektive von Heiligendamm. Anno August Jagdfeld steht vor dem Problem, dass er, um das

Projekt zu retten, dringend Geld benötigt. Bis zum 30.6. braucht er 15 Millionen Euro zur Ablösung des Hypobank-Kredits.
Deshalb hatte er die Anleger des Fonds noch einmal angeschrieben und um eine 15-Millionen-Euro Leihe gebeten. Doch dem hat jetzt die Bankenaufsicht einen Riegel vorgeschoben.
Neue Anleger für den Fonds Nr. 34 kann Jagdfeld z.Zt. nicht gewinnen: noch immer sind rund 25 Millionen Euro des Fonds nicht platziert.

21.25: Die Fundus-Gruppe als Initiator hat mittlerweile keine Bedeutung mehr auf dem Markt, man hat keine Volumina, wo man noch neues Geld einwirbt, mir ist schleierhaft, wo der Herr Jagdfeld das Geld herkriegen will.
Die Vorhaltungen von Menard Fuchsgruber versucht Fundus-Sprecher Johannes Beermann herunterzuspielen. An einem neuen Finanzierungskonzept werde zur Zeit gearbeitet. Vielmehr müsse die langfristige Verantwortung des Familienunternehmens gesehen werden.

Bei dem Wort Familienunternehmen liegt die Betonung auf dem ersten Wort: und Jagdfeld hat es tatsächlich geschafft, in einem weit verzweigten System von Tochter- und Beratungsunternehmen seine Frau, seinen Bruder, seine Kinder sowie Freunde und Bekannte in die Geschäfte und Gewinne mit einzubeziehen.
Seine Frau Anne Maria, gelernte Bauzeichnerin, übernimmt die Ausstattung der Fundus-Luxusimmobilien – wie zum Beispiel in Heiligendamm. Das geschieht über ihre eigene Firma, die sie nach ihren Initialen amj benannt hat.
Jagdfelds Bruder Helmut sitzt im Management der Fundus-Gruppe. Und über Zwischengesellschaften verdienen auch seine Söhne an den Fonds – als Eigentümer von Firmen, die für den Bau der Fonds-Objekte zuständig sind.
Über diese Form der Günstlingswirtschaft urteilt das „manager-magazin“:

: „Höchst zweifelhaft an dieser Praxis ist, ob die Investoren immer adäquate Leistungen für ihr Geld bekommen.“

Wirtschaftsdetektiv Menard Fuchsgruber kritisiert, dass bei dieser Art von Unternehmertum, wie Jagdfeld und Fundus es betreiben, das Risiko hauptsächlich bei den Anlegern liege und nicht beim Ideengeber und Unternehmer, da meist mit geschlossenen Immobilienfonds gearbeitet werde.

Der Investor eines Fonds – und Fundus hat in den vergangenen Jahren Fonds im Wert von fünf Milliarden Euro aufgelegt – erhält in der Regel rund 20 Prozent der Kundeneinlagen – als Unternehmerlohn, für Provisionen, Gebühren, Notar- und Anwaltskosten.

Auf den Gesellschafterversammlungen, auf denen eigentlich die Geschäftspolitik des Investors kontrolliert werden soll, lassen sich nur wenige Anleger sehen. Stattdessen vertritt der Treuhänder – im Fall Fundus Jagdfeld und Partner – die meisten Anleger.

Denn Anno August Jagdfeld ist vor allem ein Mann der Versprechungen:
Für den Fundus-Fonds 34 Heiligendamm“ sagte Jagdfeld 1999 eine steuerfreie Anfangsausschüttung von vier Prozent voraus. Schon mittelfristig versprach er eine deutliche Steigerung. Als der Fonds 2002 mehr Geld benötigte, stellte Jagdfeld sechs Prozent für 2005 in Aussicht. Doch bis heute gab und gibt es keine Rendite für die Anleger.
Seit 1982 hat Fundus 36 Fonds aufgelegt – lediglich sechs dieser Fonds haben für die Anleger die prognostizierten Gewinne gebracht.

Jagdfeld stellt sich in der Öffentlichkeit gern als Idealist dar: zum Beispiel als Retter von Heiligendamm, der weißen Stadt am Meer, die er vor dem Verfall gerettet habe.
Menard Fuchsgruber hält nichts von Jagdfelds Visionen:

In Heiligendamm sinkt – trotz publicityträchtigem G-8-Gipfel – der Glaube an die große Zukunft eines mondänen Badeortes für die Superreichen.
Statt des Andrangs von Urlaubsgästen, wie ihn das benachbarte Kühlungsborn seit Jahren erlebt, kommen nun vor dem G8-Gipfel erst einmal die Polizisten und die Sicherheitsexperten, die einen zwölf Kilometer langen Sicherheitszaum rund um den Küstenort errichtet haben.
Selbst Bad Doberans Bürgermeister Hartmut Polzin sind Zweifel gekommen, ob die Fundus-Gruppe die richtige Wahl für Heiligendamm war. Es ist nicht zu übersehen, dass die Entwicklung von Heiligendamm um Jahre hinterherhinkt.

Besorgt waren Birgit Koch und Heike Ohde, Mitglieder der Bürgerinitiative Heiligendamm von Anfang an. Ihre massive Kritik richtet sich nicht nur gegen die Fundus-Gruppe, sondern auch gegen die Kommunalpolitiker:

57:10: ich denke, man hat die ganz einfach ausgetrickst, Investitionsprofis haben da unbedarfte Kommunalpolitiker auflaufen lassen (…) anders kann ich mir das nicht erklären, denn so bescheuert ist keiner.
1:27:30: Die Kommune hat es versäumt, dem Investor Rahmenbedingungen zu setzen. Ich denke, ein Investor, der hier hin kommt und investieren möchte und Arbeitsplätze schaffen möchte, der muss unterstützt werden, aber es muss von vornherein klare Rahmenbedingungen geben, wie weit er gehen darf, man kann nicht die Zügel fallen lassen und: Mach, was du möchtest, und das passiert hier zur Zeit und da hat die Kommune einiges versäumt und wird dann sicher auch das Nachsehen haben.

58:30: Heiligendamm geht unter, wenn hier ein Platzhirsch sitzt, der die Konkurrenz nicht zulässt, und das lässt er ja nicht zu, denn wenn das alles Einzelobjekte wären, dann wäre Heiligendamm wie Kühlungsborn schon 33 Mal entwickelt, dann würden diese Villen hier nicht leer stehen.

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