Vom 14.-24. August wird in Hamburg das Klimcamp08 stattfinden, spektrenübergreifend vorbereitet u.a. von Einzelpersonen, Six Hills und Avanti, linksjugend/solid und attac. Hamburg mit seinem Hafen als einem der zentralen Verknüpfungspunkte der deutschen Ökonomie mit dem Weltmarkt ist ein denkbar geeignetes Terrain, die soziale Frage des Klimawandels aufzuwerfen.
Die Initiative für ein Klimacamp speiste sich aus zwei Quellen. Zum einen gab es eine Reihe von Leuten, die an dem zweiten britischen Klimacamp (www.climatecamp.org.uk) im vergangenen Sommer teilgenommen hatten. Analog zur dortigen Form der Auseinandersetzung mittels direkter Aktionen wollten sie auch in der Bundesrepublik das Konfliktfeld Klima besetzen. Parallel zu den Vorbereitungen des G8-Gipfels in Gleaneagles hatte sich auf der Insel eine an die öko-anarchistischen Strömungen der 1990er Jahre (anti-road-movement etc.) anknüpfende und/aber globalisierungskritisch orientierte Gruppe zusammengefunden, die Ort, Zeitpunkt und Feld von Auseinandersetzungen selbst bestimmen wollte. Die Wahl viel auf das Thema Klimakatastrophe.
Zum zweiten gab es eine Gruppe von Aktiven, die in die Mobilisierung zum G8-Gipfel involviert waren. Sie rezipierten ebenfalls die britischen Erfahrungen, weil sie Konsequenzen aus der klimapolitischen Leerstelle seitens der "Bewegung der Bewegungen" beim G8-Gipfel in Heiligendamm ziehen wollten. Denn die herrschende Klasse, insbesondere Klima-Queen Merkel, konnte beim Gipfel in Heiligendamm mit ihrer Besetzung des Themas enorme Legitimitätsressourcen auf sich ziehen, nach dem Motto: "Wir retten die Menschheit und die Eisbären gleich mit dazu!".
Das Thema drängt sich ohnehin auf. Die biophysischen Daten über die Veränderungen der Atmosphäre werden immer alarmierender, in vielen Regionen des Südens ist die soziale Katastrophe schon da - "It's to hot!", wie das Antirassismusbüro Bremen in einem Diskussionspapier richtig feststellte (1): Die Rahmenbedingungen jeglicher sozialer Auseinandersetzung weltweit werden sich mit der Klimakatastrophe verschärfen.
Und in der Tat, das globale Energiesystem befindet sich in einer doppelten Krise: Heftige geostrategische militarisierte Konkurrenz um die Ressourcen und steigende Preise auf der einen, Erwärmung der Durchschnittstemperatur auf der anderen Seite. Daran gekoppelt ist die aktuelle Lebensmittelkrise und die entsprechenden Riots in etwa zwei Dutzend Ländern. Zeit für Linke sich die gesellschaftlichen Naturverhältnisse genauer anzuschauen.
Die Zelte des Klimacamps werden in Hamburg aufgeschlagen, in der größten Hafenstadt der Bundesrepublik, dem meist frequentierten Logistik-Knotenpunkt von Schiffs- und Straßenverkehr. Dazu gehört auch der größte deutsche Kohlehafen, wo Nachschub aus Australien, Indonesien und Kolumbien für hiesige Kraftwerke und Industrien angelandet wird. Archer Daniels Midland betreibt in Hamburg eine der größten Agrodieselfabriken in Europa. Der Energiekonzern Vattenfall steuert von dort aus Atom- und Kohlekraftwerke.
Apropos Vattenfall: Seit Monaten ist der Neubau eines Kohlekraftwerks durch den schwedische Staatskonzern in Hamburg-Moorburg hoch umstritten. Ärzte aus der Umgebung haben eindringlich vor der Gesundheitsbelastung der anliegenden Stadtteile gewarnt, die zu den ärmsten Hamburgs gehören. Durch Strompreiserhöhungen und Atomkraftpannen hat sich der Energiemonopolist eh nicht viele Freunde gemacht.
Seit der Bürgerschaftswahl gibt es eine rechnerische Mehrheit gegen Moorburg. Die GAL, deren Wahlkampf auf Moorburg und die Elbvertiefung fokussiert war, hat sich allerdings für Schwarz-Grün entschieden. Die Elbvertiefung ist bereits beschlossen, im Fall Moorburg wird es wahrscheinlich auf einen Kuhhandel hinauslaufen. Vorsorglich hat sich E.on-Chef Wulf Bernotat hinter Vattenfall gestellt. Es scheint, dass sich an der Elbe ein Kräftemessen abzeichnet, wie weit die Energiekonzerne mit ihren Plänen für insgesamt etwa 20 neue Kraftwerke bundesweit kommen werden.
Die Planungen für ein Klimacamp starteten im Herbst 2007. Sie waren Teil einer Diskussion um mögliche Formen spektrenübergreifender Mobilisierung, die an die Erfahrungen des Heiligendamm-Gipfels anknüpfte. Von NoLager Bremen, Glocals Hanau und anderen wurde die Idee eines Mehrsäulen-Camps ins Spiel gebracht, bei dem in einem Camp verschiedene Bewegungen zusammenkommen sollten.
Während die Idee einer quasi Wiederholung von Heiligendamm ohne unmittelbaren gemeinsamen Gegner letztlich nicht durchsetzbar war, konnte sich - nach einem kurzen Intermezzo mit Überlegungen für ein Camp in Hanau - der Logik, dass wir stärker sind, wenn wir uns gegenseitig unterstützen, niemand entziehen. Ergebnis ist nun, dass es in der Hansestadt zu dem "strategischen Doppelcamping" kommt: Zeitlich und räumlich parallel wird also das antirassistische Camp stattfinden, das u.a. den Hamburger Charterabschiebeflughafen zum Aktionsziel macht. Beide Camps werden so aufeinander abgestimmt, dass sich die Potenziale gegenseitig verstärken.
Die Perspektiven des Klimacampprozesses reichen über den Sommer in Hamburg hinaus. So beginnt gerade die Vernetzung mit den annähernd zeitgleich stattfindenden Camps in Australien, USA, Großbritannien und Schweden und 2009 steht der Klimagipfel in Kopenhagen vor der Tür. Das europäische Kontakteknüpfen findet bereits statt und der Wille, die Konferenz nicht ohne eine kühle Brise Widerstand stattfinden zu lassen, ist gegeben.
Alexis Passadakis (attac)/
Jonas (Avanti)
Mehr Infos: www.klimacamp08.net
[ak - zeitung für linke debatte und praxis / Nr. 528 / 23.5.2008]
Source: ak - analyse & kritik