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2010-02-28

Böses Erwachen

Fast 2 000 Demonstranten wurden in Kopenhagen bei den Protesten gegen die Klimakonferenz der UN festgenommen. Die Strategien der verschiedenen Gruppen, die am Protest beteiligt waren, im Umgang mit der Repression sind unterschiedlich.

von Matthias Galle

Für den globalen Klimaschutz blieb die Klimakonferenz der UN in Kopenhagen ohne Konsequenzen, nicht jedoch für einige Klimaaktivisten, die im Rahmen der Proteste in Dezember festgenommen wurden und heute noch auf die Verhandlungen warten.

Christoph L. ist eine der 1 915 Personen, die nach Angaben der Rechtshilfegruppe Rusk während der Proteste im Dezember in Gewahrsam genommen wurden. Die meisten von ihnen wurden nach einigen Stunden wieder frei gelassen, und warten heute noch auf die Prozesse. »Mir wird vorgeworfen, nach einer Gewahrsamnahme zwei Polizisten getreten zu haben, als ich bereits gefesselt im Gefangenenbus saß«, sagte Christoph L. der Jungle World. Am Mittwoch vergangener Woche wurde er zu 30 Tagen auf Bewährung verurteilt.

Ende Januar war bereits ein weißrussischer Aktivist verurteilt und von Dänemark nach Polen abgeschoben worden. Trotz widersprüchlicher Aussagen mehrerer Polizisten wurde er zu einer Gefängnisstrafe von 40 Tagen verurteilt, ihm wurde zudem ein Aufenthaltsverbot erteilt. Nach der Haft musste er weitere fünf Tage im Gefängnis auf seine Abschiebung warten, da sein Pass angeblich bei der Staatsanwaltschaft verloren gegangen sei, berichtete der Blog »Cop15antirep«, ein Informationsportal über die Repression nach der Klimakonferenz.

Insgesamt stehen noch mindestens 16 Prozesse an. Die Angeklagten kommen aus Spanien, Australien, den USA, Weißrussland, Deutschland und Dänemark. Nach der Konferenz verbrachten einige von ihnen nur wenige Tage, andere bis zu drei Wochen in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe reichen von der Störung des öffentlichen Friedens, über Sachbeschädigung, Gewalt gegen Vollzugsbeamte bis hin zu »Verschwörung«. Unter den Angeklagten sind nicht nur Mitglieder von Gruppen, die explizit gegen die Konferenz protestierten, wie dem Bündnis Climate Justice Actions (CJA). Mit juristischen Konsequenzen müssen auch Mitglieder von akkreditierten NGO wie Greenpeace rechnen, die in Kopenhagen mit den Regierungschefs über das Klimaabkommen verhandelten.

CJA habe sich vor allem mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt, sagte Bündnisaktivist Alexis Passadakis der Jungle World. In den meisten Medien war allerdings nur von Tadzio Müller, dem Sprecher des Bündnisses die Rede, der nach seiner Verhaftung zu einer Führungsikone der Klimabewegung erhoben wurde. Die Öffentlichkeitsarbeit habe sich mit allen Betroffenen der Repression beschäftigt, sagt Passadakis, »mit Mitgliedern unseres Bündnisses, aber auch mit anderen, die während der Auseinandersetzungen mit der Polizei in Christiania festgenommen wurden, auch mit Mitgliedern von Greenpeace«. Die Betreuung von Gefangenen habe allerdings das Anarchist Black Cross Copenhagen übernommen.

Greenpeace dagegen interessierte sich nicht übermäßig für Inhaftierte, die nicht der eigenen Organisation angehörten. Man habe »keine Position dazu«, erklärte Martin Kaiser, Klimaexperte von Greenpeace Deutschland, gegenüber der Jungle World. Obwohl drei Aktivisten von Greenpeace drei Wochen lang im Gefängnis saßen, beteiligte sich die NGO nicht an einer Sammelklage verschiedener Gruppen gegen den Polizeieinsatz in Kopenhagen. Kaiser kritisierte die Verhaftungen lediglich als »völlig unverhältnismäßig« und betonte, Greenpeace sei bei Demonstrationen immer »sehr friedfertig« vorgegangen.

Das Vertrauen in staatliche Gerechtigkeit schützte Kaisers Mitstreiter allerdings nicht vor dem Gefängnis. Dass aus einem solchen Vertrauen der politische Druck erzeugt werden könnte, um repressive Exzesse wie in Kopenhagen in Zukunft zu vermeiden, erscheint eher unwahrscheinlich. Auch der Hinweis auf die eigene Friedfertigkeit und die Forderung nach Beweisen, die die Inhaftierungen rechtfertigen, sind bei NGO wie Greenpeace eine übliche Strategie im Umgang mit der Repression. Sich ständig auf Rechtsstaatlichkeit zu beziehen kann jedoch in Ausnahmesituationen wie bei Gipfelprotesten zu bösem Erwachen führen.

Source: http://jungle-world.com/artikel/2010/08/40422.html